Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Arabisch: »Tu so, als ob dir schlecht wird, schrei und brülle meinetwegen auch, aber tu es sofort.«
    »Wieso?«, gab Suleiman widerspenstig wie immer zurück. »Ich will das Fest sehen!«
    Er hatte es immer noch nicht verstanden und sie konnte es ihm jetzt nicht erklären. »Wenn du es nicht tust«, sagte Layla, »wirst du nie wieder nach Hause kommen. Sie werden dich hier behalten und Sklavendienste bei dem grässlichen Mann auf dem Maulesel verrichten lassen.« Torquemada war inzwischen an die Tribüne herangeritten und hatte begonnen, die Anklageliste zu verlesen. »Riechst du, wie er stinkt?«, schloss sie hastig.
    »Du wirst ihn abwaschen müssen.«
    Das hatte den erwünschten Erfolg. Suleiman begann, zu würgen und lauthals zu weinen. Seine nähere Umgebung gab indignierte Geräusche von sich. Schnell wandte sich Layla an Don Martin de Alarcon, der einigermaßen entsetzt und angeekelt auf die Geisel in seiner Obhut schaute, und sagte leise: »Ich glaube, es ist das Beste, wenn wir ihn zurück in das Kastell bringen.«
    Don Martin zögerte. »Ich möchte das Autodafé nicht…«
    »Es genügt, wenn Ihr uns einen Soldaten abstellt«, versicherte ihm Layla, »ich kümmere mich schon um ihn.« Nach einem Blick auf den deklamierenden Torquemada und dann auf den würgenden Suleiman beschloss Don Martin, dem Vorschlag des Mädchens zu folgen. Er nickte, gab einem seiner Männer ein Signal und widmete sich wieder dem Spektakel.
    Sie entfernten sich eben rückwärts von der Tribüne, als Layla ein Ziehen in ihrem Rücken spürte. Sie wandte sich um und erkannte, dass Isabella ihre Flucht bemerkt hatte und zu ihr her übersah. Layla rührte sich nicht, obwohl ihr der Moment endlos schien. Sie würde nicht zulassen, dass Suleiman erlebte, wie hier Menschen verbrannt wurden, und sie hatte auch nicht die Absicht, sich selbst an diesem christlichen Fest zu beteiligen. Es war ihr gleichgültig, ob die Königin sie dafür bestrafte. Außerdem ahnte sie, warum Isabella ihre Teilnahme befohlen hatte: Sie wollte ihr vor Augen führen, welches Schicksal rückfällige conversos erwartete, und sie daran erinnern, dass die Taufe in diesem Land für immer galt. Wenn das der Zweck der königlichen Anordnung gewesen war, so hatte er sich erfüllt, und es gab keinen Grund mehr, auf Laylas Anwesenheit zu bestehen.
    Isabella drehte sich wieder zu den von Mönchen und Rittern umringten Verurteilten um, vor denen Torquemada noch immer predigte, und Layla, die Suleimans Hand nicht losgelassen hatte, suchte das Weite.

    Dämmerung lag über der Alhambra, als al Zaghal am Krankenlager des alten Emirs eintraf. Einige seiner Töchter und Konkubinen waren dort versammelt, doch sie zogen sich beim Erscheinen des Oberbefehlshabers der Armee zurück.
    Als er neben dem Bett seines Bruders niederkniete, erkannte al Zaghal schockiert, dass Ali an der gleichen Krankheit litt wie ihr Vater: Auch er war beinahe völlig blind. Seine Augen glitten orientierungslos durch den Raum, und al Zaghal räusperte sich, um sich bemerkbar zu machen.
    »Ich bin hier«, sagte er und bemühte sich, so sachlich und knapp wie sonst zu klingen, »um dir endlich einen Erfolg zu melden. Wir konnten den Versorgungszug für Alhama abfangen und alles in unseren Besitz bringen. Also…«
    »Unsinn«, entgegnete Abul Hassan mit entschlossener, nicht im Geringsten schwächlich wirkender Stimme. »Du bist hier, weil du der Meinung bist, die Herrschaft sollte an dich übergehen. Ich bin der gleichen Meinung. Du hast sie.«
    Es war nicht leicht, Abu Abdallah Muhammad al Zaghal zu verblüffen, doch nun rang er nach Worten. »Bist du sicher?«, fragte er schließlich rau. Alis Züge zeigten ein etwas zynisches Lächeln. »Schau mich an, Muhammad. Glaubst du, ich weiß nicht, dass ich nicht mehr in der Lage bin zu herrschen, glaubst du, mir ist nicht klar, wer in den letzten Monaten der wahre Herrscher von Granada war? Ich mag krank und blind sein, aber nicht dumm.«
    Schweigen senkte sich über sie, so schwer, dass es beinahe greifbar war, bis al Zaghal es brach. »Ich will den Thron. Ich wollte ihn schon lange. Aber ich hätte dich nie gestürzt, mein Bruder.«
    Es war ihm ungeheuer wichtig, dass Ali ihm glaubte; Ali war der einzige Mensch, der ihm je etwas bedeutet hatte. Die Hand seines Bruders tastete nach ihm und al Zaghal ergriff sie. Glü hende Erleichterung durchströmte ihn.
    »Ich weiß«, sagte Ali einfach, und diesmal war die Stille zwischen ihnen die jahrelanger

Weitere Kostenlose Bücher