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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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eigentlich sprachen, und Ärger stieg in ihr auf. Sie waren sich ihrer Sache so sicher. Suleiman hatte bei weitem nicht alles verstanden, was gesagt worden war, aber er konnte es nicht ertragen, wenn allzu lange über seinen Kopf hinweggeredet wurde, und ihre Drohung hatte inzwischen ihre Wirkung verloren. Er setzte sich in Positur und rief lauthals: »U la ghalih ila Allah!«
    Der Kardinal und der Mönch tauschten viel sagende Blicke. So viel Arabisch verstand jeder Kastilier, denn es war seit Jahrhunderten der Schlachtruf aller Moslems: Es gibt keinen Sieg außer Allah.
    Layla kniff Suleiman heimlich, aber heftig in sein empfindliches Sitzfleisch. Prompt protestierte er laut und deutlich und sie lächelte die beiden Kirchenmänner an.
    »Ihr seht, ehrwürdige Väter, das Kind ist aufgeregt. Besser, ich bringe es zu Bett, damit es sich etwas ausruht.«
    »Ich bin nicht müde«, zeterte Suleiman und fing an zu brüllen, als sie ihn unsanft in den nächsten Raum beförderte. Angesichts dieses Lärms sagte der Beichtvater der Königin hastig: »O ja, das ist Sicher das Beste. Bringt ihn ins Bett.«
    »Du bist gemein«, sagte Suleiman schluchzend in seinem Schlafgemach, »du bist so gemein, dass du bestimmt nach Dschehannam kommst.«

    »Hör zu«, entgegnete Layla leise und drohend, »ich versuche gerade, dich vor der Taufe und Dschehannam zu retten, du blö des Balg, also halt endlich den Mund und sei still!«
    Sie wusste nicht, ob er das verstand, aber er hörte auf jeden Fall den Schlüssel, mit dem sie hinter sich absperrte.
    »Ein reizendes Kind«, sagte der Kardinal. »Aber ein wenig erregbar.«
    »O ja«, stimmte Layla demütig zu, »wirklich reizend.«

    Zu ihrer Erleichterung blieben die beiden Priester nicht mehr lange. Talavera ermahnte sie, über seine Worte nachzudenken, was sie inbrünstig versprach. Obwohl die Versuchung groß war, Suleiman für den Rest des Tages in seinem Schlafgemach zu lassen, sperrte sie wieder auf, als die Kastilier fortwaren. Suleimans Gesicht war tränenverschmiert, und Layla schämte sich ein wenig. Vielleicht war sie doch zu barsch mit ihm umgesprungen. Schließlich war er nur ein kleines Kind, das man in ein Land voller Feinde als Geisel geschickt hatte.
    »Suleiman«, sagte sie so sanft wie möglich, »es tut mir Leid, dass ich dich gekniffen habe, aber wenn ich dir sage, du sollst still sein, dann musst du mir gehorchen. Ich tue das nicht ohne Grund. Die Christen wollen dich zu einem der ihren machen, und dann ist es unwahrscheinlich, dass du je wieder nach Hause kommst. Glaub mir, ich weiß es.«
    Bei den letzten Worten hatte sich Sehnsucht in ihre Stimme geschlichen, die sie hastig unterdrückte. An Heimkehr zu denken, hatte für sie jetzt keinen Sinn. Suleiman schaute sie zweifelnd an.
    »Ich träume von zu Hause«, sagte er zögernd. »Ich komme nur nie hin, wenn ich träume. Und dann träume ich auch ganz schlimme Sachen und ich habe Angst.«
    Er schluckte. »Bleibst du heute Nacht bei mir? Mutter hat gesagt, Erwachsene haben einen Schutz gegen böse Träume.«

    Es musste, dachte Layla, sie wohl gerührt haben, als Erwachsene eingestuft zu werden, denn zu ihrer eigenen Verblüffung willigte sie ein. Es dauerte lange, bis sie es fertig brachte, neben einem unruhigen kleinen Kind einzuschlafen, und als die Erschöpfung sie schließlich einholte, hatte sie ihre eigenen Albträume.
    Nicht von Tariq oder Ali al Atar, was öfter vorkam. Nein, von etwas, an das sie sich nicht richtig erinnern konnte und das nicht nur Furcht in ihr auslöste.
    Am nächsten Tag erfuhr sie, wen Talavera gemeint hatte, als er von »einigen seiner Brüder« gesprochen hatte. Fray Tomas de Torquemada befand sich wieder am Hof und mit sich hatte er ein Inquisitionsgericht gebracht. Seit Layla Mitglied von Isabellas Hofstaat geworden war, hatte sie bereits von mehreren Verbrennungen gehört, doch man hatte sie bisher nicht aufgefordert, diesen beizuwohnen. Sie wusste auch, dass in Toledo ein außergewöhnlicher Prozess unter dem Vorsitz von Torquemada stattgefunden hatte. »Da das heilige Offizium in Aragon noch Schwierigkeiten hat«, so hatte Doña Catalina Doña Maria, mit der sie sich recht gut verstand, bei einem Besuch berichtet, ehe die Duena nach Sevilla abreiste, »hat Fray Tomas in Saragossa von seinen Stellvertretern nur einen symbolischen Prozess durchführen lassen und den wirklichen dann selbst hier in Kastilien geführt. Die Stadt bereitet sich schon seit Wochen auf die Hinrichtung

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