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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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war eines der beliebtesten Trinklieder in Granada, von Ibn Quzman, den das Gebot des Propheten nicht davon abgehalten hatte, ausführlich die Freuden des Weins zu verherrlichen; seine Gedichte und Lieder wurden bei jeder Gesellschaft gerne vorgetragen, natürlich nur im Interesse der Poesie. Nach einer Weile versuchte sie es auch mit dem Text, und bis sie in den Räumen, in denen der Beichtvater der Königin untergebracht war, ankam, sang sie zwar immer noch leise, aber so hingerissen von ihrer ungewohnt guten Laune, dass sie den Mann nicht bemerkte, der an einen Pfosten in der Ecke gelehnt stand.
    »Wär nicht der Wein, was fing ich an? Ich würde Theologe dann! Der, für den mein Herz entbrennt, hat Lippen, die an Strichlein trennt, so haarfein wie die Schrift - es nennt den Duktus östlich jedermann. Das Küssen für das Trinken lohnt, ein Mond in meinen Armen thront… oh!«
    Sie hatte ihn endlich bemerkt, leider zu spät. Er hatte ihr aufmerksam zugehört. »Seit meiner Ankunft hier«, sagte er schließlich, als Layla betreten schwieg, und verschränkte die Arme, »ist mir manches Seltsame widerfahren, aber ein kastilisches Mädchen, das ein arabisches Trinklied singt, übertrifft alles.«
    Sie wurde scharlachrot. »Ihr… versteht Arabisch?«, war alles, was sie hervorbrachte.
    »Ein wenig«, sagte er. Er sprach selbst mit einem leichten Akzent, nicht wie ein Aragonier oder Katalane, eher wie einer der flämischen oder italienischen Söldnerführer, die der König angeheuert hatte und die immer zahlreicher wurden. Je länger sie ihn betrachtete, desto rätselhafter wurde ihr der Fremde. Seinen abgewetzten Hosen nach zu urteilen, war er kein Adliger, und wie ein Diener oder Söldner wirkte er eigentlich auch nicht. Er hatte rote Haare, eine hervorspringende Adlernase und ein breites, energisches Kinn. Was machte er hier bei Talavera?
    Offensichtlich fragte er sich dasselbe. »Falls Ihr hineinwollt«, sagte er und machte eine Kopfbewegung zur Tür hin, »man hat mir gesagt, der Beichtvater der Königin sei beschäftigt. Ich warte jedenfalls schon einige Zeit.«
    »Dann wird es so sein«, entgegnete Layla achselzuckend.
    »Aber er hat mich rufen lassen, also könnte ich es versuchen.
    Soll ich ihm ausrichten, dass Ihr wartet?«
    Anscheinend hatte sie das Falsche gesagt. »Es ist unerträglich!«, stieß der Fremde hervor. »Genau wie in Portugal! Ich komme mit Plänen, die den Welthandel umwälzen werden, und die hohen Herren beschäftigen sich stattdessen mit…«
    Den Rest seiner Rede verstand sie nicht mehr, denn er wechselte in eine andere Sprache über. Nach einem letzten »assino« hielt er inne und warf ihr einen reuigen Blick zu. »Verzeiht mir, meine Dame. Euer Anerbieten ist sehr freundlich. Es ist nur, dass man mir gesagt hat, ich solle mich hier als Erstes an Fray Hernando de Talavera wenden, weil er das Ohr der Königin besitzt, und ich warte schon seit einer Stunde!«
    »Dann muss er wirklich beschäftigt sein«, meinte Layla nachdenklich. »Ich kenne ihn und er erschien mir immer als freundlich und höflich.«
    Der rothaarige Mann hob die Augenbrauen. »Auch zu Leuten, die eine ganze Flotte von ihm wollen?«
    Das Gespräch begann, ihr Spaß zu machen. »Wozu braucht Ihr eine Flotte?«, erkundigte sie sich. Er war also Seefahrer; kein glücklicher Beruf in einer Zeit, in der sich die christlichen Kö nige daranmachten, alle ihre Mittel für einen Landkrieg zu verbrauchen. Layla schauderte unwillkürlich, als sie an die Feuerwaffen und Söldner dachte, die Fernando angeworben hatte.
    Wie sollte al Zaghal damit fertig werden?
    »Nun, ich… ach, was soll’s. Es wird ohnehin bald allgemein bekannt sein, hoffe ich. Ich will den Westweg nach Indien finden.«
    Er sagte das mit einer gewissen Herausforderung in der Stimme, als erwarte er, dass sie ihm widerspräche. »Ein guter Plan«, antwortete sie, »aber nicht neu. Ibn Alaiman hat das schon vor fünfundzwanzig Jahren dem Emir Said ben Ali vorgeschlagen, aber Granada hatte damals der Tribute wegen nicht das Geld, sich ein solches Unternehmen leisten zu können. Außerdem hielten die Gelehrten den Seeweg für viel zu weit. Wie wollt Ihr das mit dem Proviant lösen?«
    Zum zweiten Mal an diesem Tag starrte sie ein Mann fassungslos an, aber dieser hier bekam sich wesentlich schneller wieder in die Gewalt. »Ich hatte erwartet«, sagte er, spürbar um Fassung bemüht, »dass Ihr einwendet, die Erde sei flach, oder dass man über einen bestimmten Punkt nicht

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