Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
vor.«
    Layla hatte bereits beschlossen, diesen Tag ganz in Suleimans Räumen zuzubringen. Diesmal jedoch teilte ihr Luisa de Castro aufgeregt mit, es sei der ausdrückliche Wunsch der Königin, dass Doña Lucia de Solis und die Geisel Suleiman bei dem Autodafé des rückfälligen converso Alfonso da Gama und seiner Familie anwesend wären.
    »Schaut nicht so entgeistert drein, Doña Lucia«, schloss die junge Hofdame. »Ich gebe ja zu, Autodafés sind ein wenig schaurig, aber furchtbar aufregend, und die von Toledo rühmt man überall. Ihr werdet mit uns auf der königlichen Tribüne stehen und alles gut sehen können.«
    Es war Layla bisher entgangen, dass man die Verbrennung von Ketzern als eine Art Volksfest ansah. Sie hatte angefangen, sich an ihre Umgebung zu gewöhnen, die meisten Kleriker, die sie bisher kennen gelernt hatte, waren ihr sogar sympathisch, und sie empfand aufrichtige Bewunderung für Isabella von Kastilien, die Königin weniger dank ihres Blutes als dank ihres Verstandes und ihrer Fähigkeiten war und anscheinend Fehden zwischen den Granden und Beschwerden der Cortes ebenso souverän beilegen konnte wie Streitigkeiten unter ihren Hofdamen. Doch der Tag, an dem Isabella sie zwang, einem Autodafé beizuwohnen, verwandelte Layla wieder ganz und gar in die Tochter der Banu Nasr zurück.
    Die Verbrennung des converso und seiner Familie fand nicht, wie sonst üblich, vor den Stadtmauern, sondern auf dem Hauptplatz von Toledo statt, wo man für die Herrscher und ihren Hof eine riesige Tribüne errichtet hatte.
    »Layla«, flüsterte Suleiman, der immer noch nicht begriffen hatte, worum es eigentlich ging, »was wollen die vielen Leute hier? Gibt es ein Fest?«
    Sie antwortete nicht. Stattdessen starrte sie auf die Einwohner von Toledo, die anscheinend alle gekommen waren, hörte ungläubig die Trompetenstöße, Paukenschläge und Zimbelklänge, die in der Tat an einen Jahrmarkt erinnerten. An der Spitze der Prozession, die sich dem Platz näherte, erkannte sie einige bunt herausgeputzte Handwerker.
    »Die Kohlenbrenner«, erklärte Doña Luisa, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die kleine Maurin mit den Einzelheiten des Festakts bekannt zu machen. »Weil sie die Ehre haben, das Holz für den Scheiterhaufen zu liefern, marschieren sie an der Spitze.«

    Hinter den Kohlenbrennern ritten die Calatrava-Ritter, wie für ein Turnier gewappnet; einige trugen ein riesiges Kreuz, das mit grünen Zweigen umwunden war, andere eine goldene Monstranz, die von einem roten Baldachin geschützt war. Layla hörte Luisas Erläuterungen kaum zu. Sie hatte bereits zwischen den Reihen der Ritter die Verurteilten ausgemacht, die nach ihnen kamen.
    Wieder zupfte Suleiman, der ihrem Blick gefolgt war, sie am Ärmel. »Was tragen die denn für Hemden? Und warum laufen sie barfuß?«
    »Weil sie sterben werden«, entgegnete Layla tonlos. Die Familie, die in groben Hemden voller rot gestickter Zungen hinter den Rittern herstolperte, bestand aus Don Alfonso, seiner Frau, seinem Bruder und ihren vier halbwüchsigen Kindern. In Layla wuchs die Erkenntnis, dass sie selbst dort gehen könnte, den Strick um den Hals, begleitet von zahlreichen Dominikanern in ihren schwarzen und weißen Gewändern, die wie im Chor zur Buße aufriefen. Seit Tariqs Tod hatte sie sich nicht mehr so hilflos gefühlt, doch diesmal war sie entschlossen, nicht wieder einfach nur zuzusehen. Sie spürte das Kind neben sich und empfand nur den Wunsch, es zu beschützen, ganz gleich, wie sehr es ihr sonst auch lästig war.
    Mit widerwilliger Faszination sah sie Tomas de Torquemada am Schluss der Prozession auf seinem schwarz verhängten Maultier reiten. Bei dem höfischen Empfang hatte er nichts Ungewöhnliches ausgestrahlt, doch jetzt war es selbst Kindern wie Suleiman, der ihn aufmerksam beobachtete, klar, dass er der Meister dieser ganzen Veranstaltung war. Er glühte förmlich vor Stolz, Überlegenheit und etwas, das wohl Glaubenseifer sein musste. Layla wandte den Blick zu Isabella und fand bei der Königin den gleichen Gesichtsausdruck. Sie gab die vage Hoffnung auf, von Isabella die Erlaubnis zu bekommen, sich zu entfernen.

    Wenn Fray Hernando de Talavera hier gewesen wäre, dann hätte sie sich schon längst an ihn gewandt, aber der Beichtvater der Königin konnte es sich anscheinend leisten, auch dem prächtigsten Autodafé fernzubleiben. Also konnte nur noch ihr Verstand sie retten.
    Vorsichtig beugte sie sich zu Suleiman nieder und murmelte auf

Weitere Kostenlose Bücher