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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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verstehen müssen.
    »Das ist alles ein Scherz, nicht wahr? Ihr könnt Euren Freunden sagen, dass er völlig misslungen ist. Ich bin nicht so dumm, darauf hereinzufallen.«
    Sie wandte sich ab, aber der junge Mann ergriff unerwarteterweise ihren Ärmel und hielt sie daran fest. Sein Gesicht zeigte Verblüffung, die sich mit Empörung vermengte.
    »Doña Lucia, nichts läge mir ferner, als mich über Euch lustig zu machen. Ihr beleidigt meine Ehre, wenn Ihr Derartiges von mir annehmt.«
    Er klang aufrichtig. Sie legte den Kopf ein wenig zur Seite.
    »Und wollt Ihr mich wieder zum Kampf herausfordern… falls ich ein Mann wäre?«
    Erleichtert lächelte er. »Nein… denn jetzt kenne ich Euch. Mag sein, dass ich verlieren würde.«

    Er hielt noch immer ihren Arm fest; sanft, aber nachdrücklich machte sie sich los. »Wie auch immer, Don Juan, ich habe jetzt keine Zeit.«
    »Aber später? Heute Abend? Ich habe Euch noch nie tanzen sehen, Doña Lucia. Sagt ja, bitte.«
    Sie stimmte schließlich zögernd zu - nur um herauszufinden, was er an ihr Bewundernswertes sah.

    Mittlerweile war sie alt genug, um einen durchsichtigen Schleier auf ihrem Haar festzustecken. Doña Maria war so aufgeregt über die ganze Angelegenheit, dass Layla sie schließlich aus ihrem Zimmer verscheuchte. Das Geld, das Don Sancho de Solis ihnen immer noch widerwillig zukommen ließ, hätte kaum für irgendwelche festlichen Roben genügt, doch Muhammad hatte ihr aus Murcia einigen Schmuck geschickt. Layla flocht ein paar der Perlenschnüre in ihr Haar und griff nach der Kette mit dem Rubin, um sie sich um den Nacken zu legen. Sie griff ins Leere.
    Stattdessen spürte sie Kälte hinter sich. Sie brauchte sich nicht umzudrehen.
    »Du hast versprochen, dass du erst wieder kommst, wenn ich dich rufe«, sagte sie.
    »Ich habe gelogen«, antwortete er ungerührt.
    In Layla mischten sich Ärger, Beunruhigung und ein wenig Triumph. Sie hatte nicht gerufen; Jusuf war gekommen. »Und was«, fragte sie, ihm immer noch den Rücken zuwendend, obwohl sie ihn ganz nahe bei sich spürte, »wenn es mir gleichgültig ist, ob du mich tötest? Wenn ich sogar viel lieber tot wäre?«
    Die Goldkette mit dem Rubin legte sich um ihren Hals, und unwillkürlich zog sich ihre Haut bei der Berührung zusammen.
    »Oh, aber nicht heute Abend. Heute Abend musst du noch mit diesem blonden Nichts tanzen. Außerdem hast du keine Lebenskraft zu vergeben, wenn du sterben willst, Layla.«
    Sie drehte sich um, doch er war schon wieder fort.

    Suleiman war in den letzten Jahren gewachsen. Als Layla nach ihm sah, bevor sie ging, fiel ihr auf, dass sein Bett schon wieder fast zu klein für ihn war. Er hatte auch die geschlechtslose Schönheit eines Kleinkindes verloren; seine großen Füße passten nicht recht zu den kurzen Beinen, und der Kopf, der jetzt in seinen Armen vergraben lag, hätte eher einem Zehnjährigen gehören können.
    Während sie ihn betrachtete, wurde in ihr das schlechte Gewissen wach. Sie war in letzter Zeit ziemlich barsch mit ihm umgesprungen; er konnte unerträglich sein, aber sie war auch keine besonders angenehme Gesellschaft. Aus einem Impuls heraus strich sie ihm sachte über das wirre Haar, was ihn so sehr erschreckte, dass er aufhörte, sich schlafend zu stellen, und sich jäh aufsetzte. Sie erschrak ebenfalls. Seit vier Jahren hatte sie niemandem gegenüber eine auch nur entfernt zärtliche Geste gemacht.
    »Ich nehme heute Abend am Tanz teil«, teilte Layla ihm hastig mit, um ihnen beiden über die Verlegenheit des Moments hinwegzuhelfen. »Aber Doña Maria bleibt hier, und du brauchst sie nur zu rufen, wenn…«
    »Doña Maria kennt die Schutzsure gegen die Übel der Nacht nicht«, sagte Suleiman, »und du hast mir versprechen lassen, dass ich ihr nie davon erzähle. Aber du kannst ruhig gehen. Der nette Mann kennt sie.«
    »Welcher nette Mann? Don Martin oder einer von den Wachen?«
    »Nein, nein, der nette Mann ist aus Granada, so wie du und ich.
    Er kennt viel bessere Geschichten als du, und er ist nie so schlechtgelaunt«, schloss Suleiman angriffslustig. Als Layla nichts entgegnete, stutzte er und beschloss, seinen Vorteil auszunutzen.
    »Du darfst eigentlich gar nicht so schlecht gelaunt zu mir sein, Layla. Pater Gonzales hat gesagt, Frauen müssen Männern gegenüber gehorsam und demütig sein, und du bist eine Frau. Und im Koran steht dasselbe, das weiß ich noch ganz genau.«
    »Aber du«, sagte Layla ohne ihre gewohnte Heftigkeit, »bist noch

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