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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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kein Mann. Und ich kann mich nicht erinnern, dass deine Großmutter Alscha je irgendjemandem gegenüber gehorsam und demütig gewesen wäre. Erinnerst du dich noch an sie?«
    Sein Gesicht verdüsterte sich. »Ja, natürlich… nein. Nein, Layla«, in seiner Stimme schwang plötzlich eine sehr unkindliche Verzweiflung mit, »ich erinnere mich kaum noch an Sachen aus Granada, nur an das, was du mir erzählst.«
    Sie setzte sich zu ihm und ergriff seine Hand. »Du wirst dich erinnern. Glaub mir, du wirst dich wieder erinnern«, sagte sie fieberhaft, nicht nur zu ihm, sondern auch zu sich selbst.
    »Layla«, klang es nach einer Weile, als sie sich gerade wieder erheben wollte, aus der Dunkelheit, »bin ich wirklich lästig?«
    Sie schluckte. Trotz ihrer ungewohnt weichen Stimmung ihm gegenüber und ihrer Beunruhigung über das, was er unbewusst ausgeplappert hatte, war sie nicht bereit, das zu tun, was Doña Maria zweifellos jetzt täte: ihn zu umarmen und ihm zu versichern, er sei das willkommenste Kind auf der Welt. Stattdessen löste sie ihre Hand aus der seinen und stand auf.
    »Manchmal. Meistens nicht«, sagte sie knapp. Schließlich war er Alschas Enkelkind, um das sie sich wie eine Sklavin kümmern musste. »Du bist auch nur manchmal wirklich gemein«, gab Suleiman zurück. Sie lachte und verließ sein Schlafgemach.
    Bald hatte sie auch die restlichen Räume, die ihm zugewiesen worden waren, hinter sich gelassen.
    In einem kleinen Hof, den der Mondschein spärlich erhellte, blieb sie stehen und holte tief Luft. »In Ordnung, Ifrit«, rief sie.
    »Du hast gewonnen.« Niemand rührte sich. »Jusuf ben Ismail Ibn Nagralla, komm!«
    Die Stille und das Echo ihrer eigenen Stimme schienen sie zu verspotten.

    »Josef ben Samuel ha Levi, bitte!«
    Nichts. Das war Absicht, und sie wusste es. Sie gab bestimmt ein sehr belustigendes Bild ab, wie sie im Mondlicht nach einem Wesen rief, das von Rechts wegen überhaupt nicht da sein durfte und von dem die meisten Leute behaupten würden, dass es nur in ihrer Einbildungskraft existierte. Aber nach dem, was sie soeben erfahren hatte, fürchtete sie nicht länger, wahnsinnig zu sein, und sie hatte auch nicht die Absicht, zum Amüsement eines Ifrit in der Nacht herumzulaufen. Zornig raffte sie ihre Röcke und machte sich auf den Weg zur großen Halle.
    Dort waren nicht nur die Spielleute dabei, dem Hof die Zeit zu vertreiben. Einige Feuerschlucker führten ihre Kunststücke vor, und der Hofnarr der Königin wanderte durch die Gegend und brachte beinahe jeden durch seine gezielten spitzen Bemerkungen gegen sich auf. Layla nahm an, in dem Gedränge würde sie Don Juan nie finden, doch er sah sie als Erster und schien aufrichtig erfreut zu sein.
    »Doña Lucia! Ihr seid wirklich gekommen.«
    Er stellte sie einigen seiner Freunde vor. Die Namen rauschten an ihr vorbei - de Mendoza, de Cordoba, de Vera et cetera -, aber sie bemerkte bei ihnen eine Mischung aus Neugier und Enttäuschung. Als Juan gerade nach einem weiteren Freund in der Menge Ausschau hielt, hörte sie, wie einer von ihnen seinem Nachbarn zuflüsterte: »Das ist die kleine Maurin? Ich dachte, diese Heidenmädchen wären allesamt Schönheiten!«
    Layla zuckte nicht zusammen und ließ sich nicht anmerken, dass sie es gehört hatte, aber ihre Wangen brannten. Unscheinbar und hässlich. Aber warum sollte es ihr etwas ausmachen, was diese edlen Herren dachten?
    »Caballeros«, sagte sie so liebenswürdig wie möglich, »ich bin erstaunt, Euch alle hier zu sehen. Findet nicht gerade ein heiliger Krieg statt, zu dem die Könige alle edlen Kämpen aufgerufen haben?«

    Einige blickten betreten zu Boden; Juan sah definitiv schadenfroh drein, als hätte er nur darauf gewartet, dass sein Gast etwas Derartiges sagte. Einer der jungen Männer, der zur umfangreichen Familie der Mendoza gehörte - wenn er nicht gar einer der Söhne des Kardinals war -, entgegnete ärgerlich: »Derzeit kann man nur el Chico dabei helfen, Städte von seinem Onkel zu erobern, und das überlasse ich gerne Don Fadrique de Toledo.
    Welcher Ruhm liegt schon darin, einen Barbaren gegen einen anderen zu unterstützen?«
    Juan trat ihm auf den Fuß, aber nicht sehr nachdrücklich, und Layla fragte: »El Chico?«
    »Der kleine Heidenkönig, Ihr wisst schon«, antwortete der Abkömmling der Mendoza. »Boabdil.«
    Alle beobachteten aufmerksam das Mädchen.
    »Ich würde sehr gerne wissen«, sagte Layla langsam, »warum ihr Kastilier die Anhänger des Propheten als

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