Mondlaub
mehr, so einfach ist das.«
Früher hätte ihn das gebührend eingeschüchtert, aber er war aus dem Alter herausgewachsen. »Ich glaube nicht, dass du das mit mir machen kannst«, verkündete er selbstzufrieden. »Ich habe Pater Gonzales gefragt. Ich bin ein Prinz und du bist nur ein Bastard.«
Laylas Fingernägel bohrten sich in ihre Handflächen. Sie würde ihn nicht schlagen. »Nach der christlichen Lehre«, sagte sie mit gepresster Stimme, »sind wir alle beide Bastarde, weil sie die moslemische Art der Ehe nicht anerkennen. In Granada bist du ein Sejid und ich eine Sejidah, aber hier bist du ein lästiger kleiner Junge, der meiner Aufsicht unterstellt ist - begreifst du das?«
Seine Lippen zitterten und er fing an zu weinen. »Ich will hier heraus«, schluchzte er. »Ich will hier nicht länger bleiben! Ich will nach Hause!«
Sie hatte den Verdacht, dass er sich schon nicht mehr genau an dieses Zuhause erinnern konnte.
»Ihr seid zu streng mit ihm, Lucia«, meinte Doña Maria, die eben den Raum betrat, tadelnd. »Er ist doch nur ein Kind.«
»Soll ich ihn nun erziehen oder nicht? Aber vielleicht will das Pater Gonzales ganz übernehmen. Bitte. Mit Freuden. Dann kann ich endlich tun, was ich will.«
Merkwürdigerweise lächelte Doña Maria. »Ihr seid auch noch ein Kind, Lucia.«
»Nein«, sagte Layla ablehnend, »das bin ich nicht. Schon lange nicht mehr.«
Seit Suleimans Bewegungsfreiheit eingeschränkt worden war, hatte man ihm auch einen Lehrer gegeben, der ihn binnen kürzester Zeit im christlichen Glauben unterweisen sollte. Die Epoche der schwebenden Duldung war offensichtlich vorüber.
Layla hatte erwogen, ihren Stolz hinunterzuschlucken und zu Fray Hernando de Talavera zu gehen, aber erstens hatte sie sich bei seinem letzten Hilfsangebot sehr schlecht benommen, und zweitens glaubte sie nicht, dass er jetzt noch etwas ausrichten konnte oder wollte.
Aber er konnte die Königin darauf hinweisen, wie unsinnig ihre derzeitigen Vorsichtsmaßnahmen waren. Dass Muhammad jemanden schicken würde, der sich erfolgreich eines siebenjährigen Jungen bemächtigen und mit ihm durch ein kriegzerrissenes Land fliehen könnte, Mang nicht nur unwahrscheinlich, sondern sogar närrisch. Daher hatte Layla Doña Maria gebeten, den Beichtvater der Königin aufzusuchen, um ihn in dieser Angelegenheit um seine Unterstützung zu bitten.
Wie sich herausstellte, brachte die Duena mehr als eine Neuigkeit. Die Nachricht von Muhammads Kapitulation und ihren Bedingungen hatte den Hof inzwischen erreicht, und wohl daher hatte die Königin angeordnet, Suleiman - und seiner Betreuerin - wieder die gewohnte Bewegungsfreiheit zu geben.
Bald stellte Layla fest, dass die ungewohnte freie Zeit, die sie durch Pater Gonzales zur Verfügung hatte, an ihr zerrte. Sie wanderte ziellos durch die Gänge der jeweiligen Zitadelle, in der der Hof sich gerade aufhielt, dachte an die Zerstörung ihrer Heimat, an Muhammads Pakt mit dem Teufel und an all ihre Toten. Sie hatte sich schon lange Zeit nicht mehr so elend gefühlt; und ihre Stimmung besserte sich nicht gerade dadurch, dass sich der Sohn des Helden von Alhama aus irgendwelchen Gründen in den Kopf gesetzt hatte, sie zu verfolgen.
»Morgen findet eine Corrida statt, zur Feier unseres Sieges über Illora. Wollt Ihr nicht auch kommen, Doña Lucia?«
»Ich hasse Stierkämpfe.«
Doña Maria bemerkte ihn bald und war entzückt. Schließlich hatte Don Sancho Ximenes de Solis sie seinerzeit ausdrücklich in der Absicht angestellt, seine Enkelin für einen Ehemann prä sentabel zu machen.
»Aber ich will ihn nicht heiraten, Doña Maria, und er mich bestimmt auch nicht. Warum sollte er?«
Die Duena bestand darauf, dass das Verhalten des jungen Mannes nur einen Grund haben könne; insgeheim vermutete Layla, dass Doña Maria deswegen so sehr darauf beharrte, weil sie im Grunde nie mit einem Freier gerechnet hatte. Schließlich hielt das Mädchen es nicht mehr aus.
»Doña Lucia, kommt Ihr heute Abend zu…«
»Warum verfolgt Ihr mich die ganze Zeit, Don Juan?« Sein blondes Haar und seine helle Haut - viel heller als die ihre - lie ßen jeden Gefühlsumschwung deutlich erkennen. Er neigte entschieden zum Erröten, dachte Layla und schämte sich keineswegs ihres Frontalangriffs; er hatte es herausgefordert.
»Nun, ich… ich bewundere Euch«, stotterte Don Juan Ponce de Leon endlich. Layla blieb der Mund offen; dann begriff sie und schloss ihn sehr schnell. Natürlich, sie hätte es eher
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