Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
waren ein paar andere Leute auf die drei aufmerksam geworden.
    »Aber gerne«, antwortete der Ifrit. »Bis bald… Doña Lucia.«
    Er ergriff erneut ihre Hand und küsste sie, drehte sie aber im letzten Moment so um, dass seine Lippen die Handfläche berührten. Sie gab keinen Laut von sich. Er verbeugte sich vor Juan und verschwand in der Menge.
    »Ein Botschafter Eures Bruders?« Juan schaute sie gekränkt an.
    »Aber er war ein Jude, er trug den roten Kreis. Ich dachte, er gehört vielleicht zu Abraham Seneors Familie.«
    »In Granada«, erwiderte Layla abwesend, »gibt es mehrere Juden in Staatsdiensten… genau wie hier auch.«
    »Er ging sehr vertraut mit Euch um«, sagte Juan anklagend.
    Plötzlich war sie wütend. »Er kennt mich, seit ich ein kleines Kind war. Was man von Euch nicht behaupten kann, Don Juan, und Ihr behandelt mich wie ein Mittelding aus einem seltenen Papagei und einer Leibsklavin, die das Silber des Hauses gestohlen hat. Gehabt Euch wohl.«
    Damit ließ sie ihn stehen und verließ die große Halle, halb hoffend, halb fürchtend, Jusuf würde ihr dabei begegnen, doch der Ifrit blieb verschwunden.

    Al Zaghal hatte geglaubt, seine immer häufigeren Niederlagen gegen die christliche Armee, die sich nun nicht mehr aufsplittern oder in enge Schluchten locken ließ, seien an Bitterkeit nicht zu übertreffen. Er hatte sich getäuscht. Das Volk, das ihm zugejubelt hatte, als er noch der unbesiegbare Held und die Hoffnung von Granada gewesen war, begann sich von ihm abzuwenden. Und so geschah es, dass das Albaicin, das alte Stadtviertel von Granada mit der Alcazaba Cadima, in der schon Alscha zu Lebzeiten Abul Hassan Alis residiert hatte, seine Tore für Muhammad und die christliche Armee des Don Fadrique de Toledo öffnete.
    Zwei Tage lang kämpften er und seine Anhänger erbittert um den Besitz der Hauptstadt. Einmal traf er dabei auch auf Muhammad selbst. Sein Neffe machte keine Anstalten, ihm auszuweichen, was al Zaghal nicht verwunderte. Muhammads Versagen betraf Feldzüge und Königreiche, jedoch keine Zweikämpfe, in denen er schon als Junge geglänzt hatte.
    Al Zaghal hatte ihn damals eine Zeit lang selbst unterrichtet und mit einem seltsamen Gefühl von Unwirklichkeit nahmen die beiden jetzt Aufstellung. Um sie herum achtete niemand mehr auf die Regeln, die ihnen früher in Fleisch und Blut übergegangen waren, aber al Zaghal und sein Neffe fochten verbissen mit der Eleganz von zwei Turnierkämpfern.
    Als Muhammad ihm tatsächlich eine Wunde beibrachte, kam al Zaghal zum ersten Mal der Gedanke, dass er verlieren könnte.
    Er hatte ebenfalls lange nicht mehr nach Turnierregeln gekämpft - gegen die übermächtigen Waffen der Christen konnte man sich diese Art Ritterlichkeiten einfach nicht mehr leisten -, aber sein Stolz verlangte jetzt, Muhammad auf dessen eigenem Gebiet zu schlagen. In seiner Jugend hätte ihm das keine große Mühe bereitet, doch zu seiner tiefsten Demütigung begann al Zaghal, in allen Fasern seines Körpers die Erschöpfung zu spü ren, die der zweitägige Kampf um die Hauptstadt als Tribut einforderte. Entschlossen, dieses erste Anzeichen von Schwäche zu ignorieren, verstärkte er seine Bemühungen. Als ihm Muhammad das Schwert aus der Hand schlug, spürte er keinen Schrecken, nur blanke Ungläubigkeit. Muhammad senkte schwer atmend seine eigene Waffe.
    »Warum tötest du mich nicht?«, hörte al Zaghal sich kalt fragen, obwohl er seine Niederlage noch nicht wirklich erfasst hatte. »Mach endlich ein Ende.«
    Muhammad schüttelte nur stumm den Kopf. Seine Stimme klang belegt, als er antwortete: »Ich kann nicht.«
    Dann verschwand er, war im Gefecht bald nicht mehr von den anderen zu unterscheiden und al Zaghal bemühte sich, mit der schmerzendsten Wunde fertig zu werden, die er je in einem Kampf erlitten hatte: von seinem Neffen geschlagen und verschont worden zu sein.

    Danach wichen sie sich in stillschweigender Übereinstimmung aus und keiner von beiden nahm mehr Rücksicht auf irgendwelche Regeln. Als die Stadt am zweiten Tag immer noch zwischen Alhambra und Albaicin geteilt war, wurde ein Waffenstillstand vereinbart, um beiden Parteien die Möglichkeit zu geben, ihre Verwundeten zu pflegen. Während dieses Waffenstillstands erhielt al Zaghal eine Botschaft, die ihn dazu veranlasste, durch Musa ben Abi Ghassan ein neues Treffen mit Muhammad einzurichten.
    Musa war zwischenzeitlich zu al Zaghals wichtigstem General aufgerückt, und er hatte sich selbst als Geisel

Weitere Kostenlose Bücher