Mondlicht steht dir gut
Kopien der Viktorianischen Glocken ausgeteilt hatte.
»Ich hab sie extra gießen lassen«, erklärte er mit vor Zorn bebender Stimme. »Zwölf Stück. Vielleicht war es ja nicht klug, daß ich sie diesen Leuten in die Hand gegeben habe, aber das war noch lange kein Grund, mich so zu behandeln, wie es diese Frau getan hat.«
Maggie wählte ihre Worte sorgsam. »Ich bin überzeugt, daß andere Leute nicht auf diese Weise reagieren.«
»Es war für uns alle ganz entsetzlich. Zelda war außer sich.«
»Zelda?« hakte Maggie nach.
»Schwester Markey. Sie kennt meine Forschungsarbeit und hatte mich schon bei mehreren Gelegenheiten reden hören. Ich war ihr zuliebe dort. Sie hatte der Vorsitzenden des Veranstaltungskomitees im Latham gesagt, wie interessant meine Vorträge sind.«
Schwester Markey, dachte Maggie.
Seine Augen wurden schmal, wirkten jetzt mißtrauisch. Ihr war bewußt, daß er sie forschend ansah. »Ich rede nicht gern über das alles. Es regt mich auf.«
Maggie ließ nicht locker. »Aber ich könnte mir vorstellen, daß das ein faszinierender Vortrag wäre. Und vielleicht wären diese Glocken ein gutes Motiv für Anfang oder Schluß Ihrer Serie.«
»Nein. Vergessen Sie’s. Die sind alle in einem Karton oben im Lagerraum, und dort bleiben sie auch.«
Er steckte den Schlüssel unter den Blumenkasten zurück.
»So, jetzt verraten Sie bitte keinem, daß er hier ist, Maggie.«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Aber wenn Sie Lust haben, noch mal allein herzukommen und vielleicht ein paar Aufnahmen von den Exponaten zu machen, die Sie für geeignet halten, daß ich sie den Leuten vom Kabelsender zeige, dann wäre das schön. Sie wissen ja, wo der Schlüssel zu finden ist.«
Er brachte sie zu ihrem Wagen. »Ich muß jetzt wieder nach Providence zurück«, sagte er. »Denken Sie auch an das Bildmaterial, und überlegen Sie sich, ob Sie mir ein paar Vorschläge machen können? Kann ich Sie in einem Tag etwa anrufen?«
»Aber sicher«, antwortete sie, als sie sich voller Erleichterung hinter das Steuer setzte. »Und vielen Dank noch«, fügte sie hinzu. Sie hatte definitiv nicht die Absicht, den Schlüssel zu benutzen oder je wieder hierher zurückzukehren, wenn es sich vermeiden ließ.
»Hoffentlich sehen wir uns bald wieder. Grüßen Sie Chief Brower von mir.«
Sie drehte den Zündschlüssel herum. »Tschüs, Earl. Es war sehr interessant.«
»Meine Friedhofsausstellung wird auch interessant werden. Ach, da fällt mir was ein. Ich fahr den Leichenwagen lieber wieder in die Garage. Friedhof. Leichenwagen. Komisch, wie das Gehirn funktioniert, nicht?« sagte er noch im Weggehen.
Als Maggie auf die Straße einbog, konnte sie im Rückspiegel erkennen, daß Earl in dem Leichenwagen saß und ein Telefon in der Hand hielt. Sein Kopf war in ihre Richtung gewandt.
Sie konnte seine Augen spüren, seine großen, glänzenden Augen, wie sie ihr unverwandt folgten, bis sie endlich nicht mehr in seinem Blickfeld war.
67
Kurz vor fünf traf Dr. William Lane im Hotel Ritz-Carlton in Boston ein, wo man einen Chirurgen mit Cocktailempfang und Abendessen feierlich in den Ruhestand verabschiedete. Lanes Frau Odile war schon früher hingefahren, um Einkäufe zu machen und einen Termin bei ihrem Lieblingsfriseur wahrzunehmen. Sie hatte – wie sie es in der Vergangenheit bei ähnlichen Gelegenheiten gehalten hatten – für den Nachmittag ein Zimmer im Hotel gebucht.
Als er durch Providence fuhr, hatte Lanes ursprünglich gute Laune allmählich nachgelassen. Die Befriedigung, die er nach dem Anruf der Van Hillearys empfunden hatte, war geschwunden, und statt dessen plagte ihn nun eine warnende innere Stimme, nicht ungleich dem Piepsen, das bei einem Rauchmelder von einer defekten Batterie verursacht wird. Irgend etwas stimmte nicht, aber er war sich bis jetzt noch nicht klar darüber, was es genau war.
Der innere Alarm hatte genau zu dem Zeitpunkt eingesetzt, als er das Latham Manor verlassen wollte und Sarah Bainbridge Cushing anrief, um ihm zu sagen, sie sei auf dem Weg, ihre Mutter wieder zu besuchen. Sie hatte ihm mitgeteilt, Letitia Bainbridge habe kurz nach dem Lunch angerufen, sie fühle sich nicht gut und sei schrecklich nervös, weil Schwester Markey ständig bei ihr reinschneie, ohne anzuklopfen.
Genau deswegen hatte er Markey bereits verwarnt, nachdem Greta Shipley sich vorige Woche beschwert hatte. Dr. Lane kochte. Was spielte sie eigentlich für ein Spiel? Er würde sie jedenfalls nicht noch einmal verwarnen; nein, er würde
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