Mondlicht steht dir gut
errichtet, und mein Vater hat es erweitert. Das Haus hier wurde eine Zeitlang von einem Verwalter benutzt. Als wir dann vor zehn Jahren die Firma verkauften, trennten wir das Haus und knapp einen halben Hektar von dem Grundstück ab, und ich hab’s für mich alleine übernommen. Das Museum hab ich wenig später eröffnet, obwohl ich die Exponate schon Jahre vorher zusammengetragen hatte.«
Earl legte eine Hand auf Maggies Ellenbogen. »Jetzt erwartet Sie ein wahrer Augenschmaus. Aber denken Sie daran: Ich möchte, daß Sie sich alles im Hinblick darauf ansehen, was ich als Anschauungsmaterial vorschlagen sollte. Ich meine, nicht bloß für die einzelnen Sendungen, sondern vielleicht auch etwas, das als Motiv für den Anfang und Abspann der Serie fungieren könnte.«
Sie waren nun auf der überdachten Veranda. Auf dem breiten Geländer waren mehrere Pflanzkästen mit Veilchen und Alpenrosen angebracht, die dazu beitrugen, der allgemeinen Begräbnisstimmung ein wenig entgegenzuwirken. Bateman hob den am nächsten plazierten Kasten am Rand etwas hoch und zog einen Schlüssel hervor. »Sehen Sie, wie ich Ihnen vertraue, Maggie? Ich zeige Ihnen mein geheimes Versteck. Das hier ist ein altmodisches Schloß, und der Schlüssel ist viel zu schwer, als daß man ihn ständig mit sich herumtragen könnte.«
An der Tür blieb er stehen und zeigte auf den Krepp. »In unserem Kulturkreis war es früher Brauch, die Tür auf diese Weise zu dekorieren zum Zeichen dafür, daß dies ein Haus der Trauer war.«
Mein Gott, wie er das genießt! dachte Maggie, und ein leiser Schauer durchfuhr sie. Ihr wurde bewußt, daß ihre Hände feucht waren, und sie schob sie in die Taschen ihrer Jeans. Der irrationale Gedanke ging ihr durch den Sinn, sie habe nicht das Recht, in einer karierten Hemdbluse und Jeans ein Haus der Trauer zu betreten.
Der Schlüssel drehte sich mit einem schabenden Geräusch, und Earl Bateman schubste die Tür auf und trat zur Seite. »Nun, was halten Sie davon?« fragte er voller Stolz, als Maggie langsam an ihm vorbeiging.
Eine lebensgroße Figur eines Mannes in schwarzer Livree stand im Foyer stramm, als warte er tatsächlich darauf, Gäste zu empfangen.
»In Emily Posts erstem Buch über Etikette, das im Jahr neunzehnhundertzweiundzwanzig herauskam, schrieb sie, im Falle eines Todes solle der Butler in seiner Tagesuniform an der Tür stehen, bis ihn ein Lakai in schwarzer Livree ablösen könne.«
Earl schnippte vom Ärmel der Kostümpuppe etwas weg, was Maggie gar nicht sehen konnte.
»Wissen Sie«, sagte er ernst, »die Räume im Erdgeschoß zeigen unsre Trauerkultur aus dem jetzigen Jahrhundert; ich hab mir gedacht, daß die Gestalt in Livree interessant für die Leute sein würde, wenn sie hereinkommen. Wie viele Leute heutzutage, sogar reiche Leute, würden denn einen Lakai in schwarzer Livree an der Tür aufstellen, wenn jemand in der Familie stirbt?«
Maggies Gedanken sprangen ganz unvermittelt zu dem schmerzlichen Tag damals zurück, als sie zehn Jahre alt war und Nuala ihr erzählte, sie werde weggehen. »Weißt du, Maggie«, hatte sie erklärt, »noch lange nach dem Tod von meinem ersten Mann hab ich immer eine dunkle Brille dabeigehabt. Ich mußte so leicht weinen, daß ich mich geniert habe. Wenn ich merkte, daß es wieder soweit war, hab ich einfach in meine Tasche gegriffen und die Brille rausgeholt und mir dabei gedacht: ›Zeit, wieder mein Trauerutensil aufzusetzen.‹ Ich hatte die Hoffnung, daß dein Vater und ich uns auch so lieben könnten. Ich hab mir wirklich Mühe gegeben, aber es soll wohl einfach nicht sein. Und für den Rest meines Lebens werde ich jedesmal, wenn ich an all die Jahre denke, die ich nun mit dir verpasse, nach meinem Trauerutensil greifen müssen.«
Die Erinnerung an jenen Tag trieb Maggie stets die Tränen in die Augen. Ich wünschte, ich hätte jetzt auch irgendein Trauerutensil, dachte sie, während sie sich die Feuchtigkeit von der Wange wischte.
»O Maggie, Sie sind ja ganz bewegt«, sagte Earl voller Ehrfurcht. »Wie verständnisvoll von Ihnen. Also hier in diesem Geschoß befinden sich, wie ich schon sagte, die Räume, welche die Todesrituale des zwanzigsten Jahrhunderts zur Schau stellen.«
Er schob einen schweren Vorhang zur Seite. »In diesem Zimmer hier habe ich Emily Posts Version einer ganz kleinen Bestattung nachgestellt. Sehen Sie?«
Maggie schaute hinein. Die Figur einer jungen, in ein blaßgrünes Seidengewand gekleideten Frau lag auf einem Brokatsofa.
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