Mondlicht steht dir gut
Earl sonderbar aussieht, steht Liam gut.
Ich hatte so ein Glück, daß Liam mich mit auf dieses Familienfest genommen hat, so ein Glück, daß ich Nuala entdeckt habe, ging ihr durch den Sinn, als sie sich abwandte, um wieder nach unten zu gehen. Sie erinnerte sich, wie es beinahe nicht dazu gekommen wäre, wie sie sich schon entschlossen hatte, nach Hause zu gehen, weil Liam so damit beschäftigt war, von einer Verwandtengruppe zur nächsten zu flitzen. An jenem Abend war sie sich eindeutig vernachlässigt vorgekommen.
Aber seit ich hier angekommen bin, schlägt er ja definitiv andere Töne an, dachte sie.
Wieviel soll ich eigentlich Chief Brower erzählen, wenn er nachher kommt? fragte sie sich. Selbst wenn Earl Bateman diese Glocken auf die Gräber gelegt hat, war das ja nicht von vornherein illegal. Aber wieso tischt er mir dann diese Lüge auf, daß die Glocken im Lagerraum sind?
Sie ging ins Schlafzimmer und öffnete die Schranktür. Die einzigen Sachen, die dort noch hingen, waren der blaue Cocktailanzug, den Nuala an jenem Abend im Four Seasons getragen hatte, und der blaßgoldene Regenmantel, den sie selbst zu dem Zeitpunkt, als Neil und sein Vater das Bett verschoben, wieder in den Schrank gehängt hatte.
Jeder Zentimeter des Schrankbodens war jedoch mit einem wilden Durcheinander von Schuhen, Hausschuhen und Stiefeln bedeckt.
Maggie setzte sich auf den Boden und machte sich daran, alles auszusortieren. Einige der Schuhe waren schon ziemlich abgetragen, und die warf sie hinter sich, um sie später zu entsorgen. Andere wiederum, wie etwa das Paar, das Nuala ihrer Erinnerung nach auf der Party getragen hatte, waren sowohl neu wie relativ teuer.
Es stimmte schon, daß Nuala keine Ordnungsfanatikerin war, aber mit Sicherheit hätte sie niemals neue Schuhe so achtlos durcheinandergeworfen, stellte Maggie fest. Dann hielt sie die Luft an. Sie wußte, daß der Eindringling, der Nuala getötet hatte, die Schreibtischschubladen durchwühlt hatte, aber hatte er sich sogar die Zeit genommen, ihre Schuhe zu durchstöbern?
Das Telefon klingelte, und sie zuckte zusammen. Chief Brower, dachte sie, und ihr wurde bewußt, daß sie absolut nichts gegen sein Erscheinen einzuwenden hatte.
Statt Brower war jedoch Detective Jim Haggerty am Apparat, um ihr mitzuteilen, daß der Chef das Treffen gerne auf den nächsten Vormittag verschieben würde. »Lara Horgan, die staatliche Gerichtsmedizinerin, würde gern mitkommen, und im Moment sind beide in Notfällen unterwegs.«
»Ist schon gut«, sagte Maggie. »Ich bin morgen vormittag hier.« Dann fiel ihr ein, wie sympathisch Detective Haggerty ihr gewesen war, als er bei ihr reingeschaut hatte, und sie beschloß, ihn nach Earl Bateman zu fragen.
»Detective Haggerty«, sagte sie, »heute nachmittag hat Earl Bateman mich dazu eingeladen, mir sein Museum anzuschauen.« Sie wählte ihre Worte mit Bedacht. »Es ist ein so ungewöhnliches Hobby.«
»Ich war dort«, sagte Haggerty. »Schon ein komischer Schuppen. Aber ich meine, für Earl ist es wirklich kein besonders ungewöhnliches Hobby, wenn Sie bedenken, daß er aus einer Familie stammt, die seit vier Generationen mit Beerdigungen zu tun hat. Sein Vater war mächtig enttäuscht, daß er nicht ins Geschäft eingestiegen ist. Aber man könnte sagen, daß er es auf seine Weise doch getan hat.« Er lachte leise.
»Vermutlich.« Wiederum sprach Maggie langsam und nach sorgfältiger Überlegung. »Ich weiß, daß seine Vorträge sehr gut ankommen, aber ich habe gehört, daß es im Latham Manor zu einem unglücklichen Vorfall gekommen ist. Wissen Sie etwas davon?«
»Kann ich nicht gerade behaupten, aber wenn ich so alt wie diese Leute wäre, würde ich bestimmt nichts über Beerdigungen hören wollen! Sie vielleicht?«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Ich bin nie selbst zu einem seiner Vorträge gegangen«, fuhr Haggerty fort und senkte seine Stimme. »Ich tratsche ja normalerweise nicht herum, aber die Leute hier in der Gegend fanden die Idee mit dem Museum verrückt. Aber Himmel noch mal, die Batemans stecken die meisten Moores finanziell in die Tasche. Earl sieht ja vielleicht nicht danach aus und gibt sich nicht so, aber er hat selbst richtig viel Geld. Ist ihm von seinem Vater vererbt worden.«
»Ich verstehe.«
»Der Moore-Clan nennt ihn Vetter Spinner, aber meiner Meinung nach kommt das hauptsächlich daher, weil sie neidisch sind.«
Maggie dachte an Earl, wie sie ihn heute gesehen hatte: den Blick starr an ihr vorbei auf die Stelle
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