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Mondlicht steht dir gut

Mondlicht steht dir gut

Titel: Mondlicht steht dir gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sein konnte. Sie kniete sich hin, senkte den Kopf, bekreuzigte sich und ließ dann ihre gefalteten Hände zu Boden gleiten. Während sie noch in der Gebetshaltung verharrte, berührten ihre Finger die Erde; sie grub rings um den Gegenstand und legte ihn bloß.
    Sie wartete eine Weile ab. Als sie sich wieder umblickte, hatte der Arbeiter ihr den Rücken zugekehrt. Mit einer einzigen Bewegung riß sie das Ding an sich und verbarg es hastig im Inneren ihrer zusammengelegten Hände. In diesem Moment hörte sie ein gedämpftes Läuten.
    Eine Glocke? dachte sie. Warum um Himmels willen sollte jemand auf Nualas Grab eine Glocke vergraben? Überzeugt, daß auch der Arbeiter den Ton gehört hatte, erhob sie sich und ging schnell zu ihrem Wagen zurück.
    Sie legte die Glocke auf den restlichen Blumen ab. Da sie den neugierigen Augen des wachsamen Friedhofsgärtners keine Minute länger ausgesetzt sein wollte, fuhr sie langsam in Richtung des zweiten Grabes, das sie aufsuchen wollte. Sie parkte das Auto in der Wendeschleife, die in der Nähe lag, und blickte sich um. Niemand war zu sehen.
    Sie öffnete das Wagenfenster, griff vorsichtig nach der Glocke und hielt sie hinaus. Nachdem sie die lose Erde, die daran haftete, abgewischt hatte, drehte sie die Glocke in der Hand und musterte sie, wobei sie gleichzeitig den Klöppel festhielt, damit er nicht zu läuten anfing.
    Die Glocke war etwa acht Zentimeter hoch und erstaunlich schwer, nicht unähnlich einer altmodischen Schulglocke en miniature, wenn man von den dekorativen Blumengirlanden absah, die den Rand säumten. Der Klöppel war ebenfalls schwer, fiel Maggie auf. Wenn man ihn frei pendeln ließ, konnte er zweifelsohne einen beachtlichen Ton erzeugen.
    Maggie schloß die Fensterscheibe wieder, hielt die Glocke knapp über den Wagenboden und schwang sie hin und her. Ein melancholisches, aber dennoch klares Klingen hallte durch das Auto.
    Einen Stein für Danny Fisher, dachte sie. Das war der Titel eines der Bücher, die in der Bibliothek ihres Vaters gestanden hatten. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihn als Kind gefragt hatte, was der Titel bedeutete, und er erklärt hatte, es sei eine Tradition des jüdischen Glaubens, daß jeder, der das Grab eines Freundes oder Verwandten besuchte, zum Zeichen dafür dort einen Stein hinlege.
    Deutete diese Glocke möglicherweise auf etwas Ähnliches hin? fragte sich Maggie. Mit dem diffusen Gefühl, als tue sie etwas Unrechtes, wenn sie die Glocke mitnahm, schob sie sie unter den Wagensitz, so daß sie nicht mehr sichtbar war. Dann suchte sie erneut ein halbes Dutzend Blumen aus, und mit dem entsprechenden Foto in der Hand machte sie sich auf, das Grab einer weiteren Freundin Greta Shipleys aufzusuchen.
    Als letztes machte sie bei Mrs. Rhinelanders Grabstätte halt; die Aufnahme dieses Grabes war es, die am deutlichsten eine Lücke in den Grassoden am Fuß des Grabmals aufzuweisen schien. Während Maggie die verbliebenen Blumen auf dem feuchten Gras arrangierte, suchten und fanden ihre Finger die unebene Stelle. Maggie brauchte Zeit zum Nachdenken, und sie war noch nicht bereit, zum Haus zurückzukehren, wo sie möglicherweise dabei gestört wurde. Statt dessen fuhr sie ins Stadtzentrum hinein, fand dort eine Imbißstube und bestellte sich ein getoastetes Blaubeermuffin mit Kaffee.
    Ich war hungrig, gestand sie sich ein, während das knusprige Gebäck und der starke Kaffee dazu beitrugen, das Unbehagen zu vertreiben, das sie auf den Friedhöfen verspürt hatte.
    Eine weitere Erinnerung an Nuala kam ihr plötzlich in den Sinn. Als Maggie zehn Jahre zählte, war Porgie, ihr übermütiger Zwergpudel, auf Nuala gesprungen, die gerade auf dem Sofa lag und döste. Sie hatte entsetzt aufgeschrien, doch als Maggie hereingerannt kam, hatte Nuala nur gelacht und erklärt: »Entschuldige, Schätzchen. Ich weiß nicht, warum ich so schreckhaft bin. Irgendwer muß wohl über mein Grab laufen.«
    Und da Maggie damals in einem Alter war, in dem sie alles wissen wollte, hatte Nuala ihr dann erklären müssen, dieser Ausdruck gehe auf ein altes irisches Sprichwort zurück und bedeute, daß jemand über die Stelle lief, wo man später einmal zur letzten Ruhe gebettet wird.
    Es mußte für das, was sie heute gefunden hatte, eine einfache Erklärung geben, überlegte Maggie. Von den sechs Gräbern, die sie aufgesucht hatte, enthielten vier, darunter auch die von Nuala, Glocken am Fuß des Grabsteins, jede hinsichtlich Gewicht und Größe genauso wie die

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