Mondmädchen
Schwester«, rief Caesarion.
Ich hüpfte spottend auf ihn zu. »Du hast verloren, ich hab gewonnen! Ich kann besser Trigon spielen!«
Zu meiner Überraschung senkte Caesarion den Kopf und brüllte: »Man macht sich nicht über den König lustig! Dafür wirst du bezahlen!« Mein Herz setzte vor Schreck aus, bis ich sah, wie sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete, während er auf mich zugelaufen kam.
Ich quiekte und rannte quer über den Rasen davon, doch Caesarion hatte mich rasch eingeholt. »Das war’s!«, sagte er, als er die Arme um mich schloss. »Werft sie den Schlangen zum Fraß vor!«
Ich schrie: »Nein, nein!«, in gespieltem Entsetzen, während er mich herumwirbelte. »Ich ergebe mich! Ich ergebe mich!«, rief ich schließlich. »Lass mich los.«
»Ha! Ich traue dir nicht.«
»Bruder, du beleidigst mich.«
»Die, deren Biss schärfer ist als der der Schlange, kann man gar nicht beleidigen.«
»Ich verspreche es dir«, sagte ich. »Du kannst mir vertrauen.«
Caesarion schnaubte ganz und gar unköniglich, wie ich fand, und ließ mich los. Ich trat mit erhobenen Händen zurück. »Siehst du?«
»Komm, ich muss mit dir und Alexandros sprechen«, sagte er und neigte den Kopf in Richtung meines Zwillingsbruders und Iotape. Er wandte sich um und wollte zu ihnen gehen.
»Nur wenn du mich trägst!«, sagte ich und warf mich mit dem Gelächter einer Harpyie auf seinen Rücken.
»Oha!«, stöhnte er, als ich auf ihm landete, doch er warf mich nicht ab. Ich rutschte von seinem Rücken hinunter, als wir bei Alexandros und Iotape angekommen waren. »Du bist langsam zu groß, als dass ich dich noch herumtragen könnte«, beschwerte sich Caesarion.
»Was ist es, was du uns erzählen wolltest, Bruder?«, fragte Alexandros.
Caesarions Gesicht, das noch wenige Augenblicke zuvor offen und hell gewesen war, wirkte plötzlich verschlossen. »Man hat uns mitgeteilt, dass die Scheidung eures Vaters von seiner römischen Frau nun rechtskräftig ist.«
Alexandros und ich wechselten einen Blick und schauten dann wieder zu Caesarion. Wir wussten, dass unser Tata aus politischen Gründen mit einer römischen Frau verheiratet gewesen war – und dass er sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie war bedeutungslos. »Ist das alles? Deswegen bist du hierhergekommen?«, fragte ich.
Caesarion schüttelte den Kopf. »Geht ein Stück mit mir«, sagte er und ging auf den Gang mit den bemalten Lotossäulen zu, der zur großen Bibliothek führte. Er bedeutete seinem Tross zurückzubleiben, während diese Euginia und die anderen Kinder verscheuchten.
»Ist Tatas Scheidung denn nicht nur eine reine Formsache?«, fragte Alexandros. »Schließlich sind Tata und Mutter schon so viele Jahre zusammen.«
»Ich fürchte, es ist etwas komplizierter«, erwiderte Caesarion. »Ihr wisst doch, dass euer Vater Octavia geheiratet hat, um ein Friedensabkommen mit ihrem Bruder Octavian zu besiegeln, nicht wahr?«
Wir nickten.
»Nun, indem er sie verstößt, bricht er auch dieses Friedensabkommen.«
Mir krampfte sich der Magen zusammen. Ein gebrochenes Friedensabkommen war nie gut.
»Aber Scheidungen sind in Rom doch an der Tagesordnung, oder?«, fragte ich.
»Ja«, sagte Caesarion. »Aber in diesem Fall hat sie weitreichende Konsequenzen. Octavian benutzt sie als Vorwand, um uns den Krieg zu erklären.«
»Aber warum sollte Octavian Tata wegen so einer Sache den Krieg erklären?«, rief ich aus.
»Er hat nicht eurem Vater den Krieg erklärt«, fuhr der junge König von Ägypten stirnrunzelnd fort. »Er hat unserer Mutter den Krieg erklärt und damit Ägypten. Uns. Versteht ihr?«
Ich erstarrte, mir blieb der Mund offen stehen. Alexandros’ Kopf fuhr zu ihm herum. »Aber Ägypten ist doch ein treuer Freund und Verbündeter Roms«, rief er aus. »Wie kann Rom dann Ägypten den Krieg erklären? Wir versorgen sie mit Getreide, wir finanzieren ihre Kriegszüge im Osten …«
»Und wir haben noch nicht einmal eine Armee zur Verfügung«, ergänzte ich. »Das ist unerhört! Sie können doch nicht einem Verbündeten den Krieg erklären, der nicht einmal in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen!«
»Octavian hat in Wahrheit einen Bürgerkrieg gegen euren Vater angezettelt – einen Krieg zwischen zwei Römern um die alleinige Herrschaft über das Römische Reich«, erklärte Caesarion. »Aber er stellt es alles so dar, als wäre es die Schuld unserer Mutter, wodurch wir – oder sie zum Feind werden.«
»Aber das ergibt
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