Mondmädchen
vereitelt. Wie viel hatte Gallus verraten?
»Jetzt sag du mir«, fuhr Juba fort, »was hat das alles mit dir zu tun?«
Ich zögerte. Konnte ich Juba vertrauen? Oder würde er das, was er erfuhr, an Octavian weitergeben? Er war so gut zu meinen Brüdern und zu mir gewesen. Aber wer wusste schon, ob Octavian ihn vielleicht nur darauf angesetzt hatte, uns auszuspionieren?
Ich schüttelte den Kopf. Nein. Juba war neben Octavia vermutlich der einzige Grund, dass Alexandros und ich überhaupt noch am Leben waren. Alexandros! Was war, wenn sie falsche Rückschlüsse zogen und ihn für den Verräter hielten? Hatte ich meinen Bruder in Gefahr gebracht?
Ich erhob mich. »Wir müssen zurück. Ich mache mir Sorgen um meinen Bruder.«
»Warte«, sagte er und packte mich am Handgelenk.
Sein plötzlicher Griff löste eine Welle von Angst in mir aus, als wäre ich gefangen, in die Ecke getrieben. Ich durfte Alexandros nicht verlieren! Ich konnte nicht – durfte nicht – zulassen, dass ihm etwas zustieß.
»Hör mir einfach zu«, sagte Juba nun. Er ließ mein Handgelenk los und sprach mit leiser Stimme auf mich ein, so als würde er ein Pferd besänftigen. »Wir wollen beide, dass Alexandros nichts geschieht. Ich habe eine Idee, die euch beiden helfen könnte. Aber zuerst musst du mir sagen, was du mit Gallus geplant hattest.«
»Die Priesterin und ihre Getreuen hatten erfahren, dass Gallus in Ägypten unzufrieden war. Sie haben einen Plan geschmiedet, dem zufolge ich ihn heiraten und die Macht über Ägypten ergreifen sollte …«
»Was? Und wie wolltest du das anstellen? Indem du ihn ermordet hättest? Das hättest du getan?«
»Nein, aber es ist sinnvoll, einen Bund mit einem Römer einzugehen.« Genau wie Mutter , dachte ich. »Dank dir habe ich gelernt zu akzeptieren, dass man ohne Rom gar nichts erreichen kann«, fügte ich hinzu.
Juba runzelte die Stirn. »Aber der Plan wurde aufgedeckt.«
»Ich weiß nicht, was aufgedeckt wurde oder wann das geschah. Offenbar wussten sie, dass es eine Verschwörung gab und haben jemand aus Octavians Haushalt unter Verdacht.«
Er seufzte und rieb sich die Augen. »Ich bin sicher, dass Caesar dich verdächtigt. Bei den Göttern. Ich werde warten müssen. Momentan wird er vermutlich zu wütend sein, um sich meinen Vorschlag anzuhören.«
»Was für einen Vorschlag?«
Juba räusperte sich ein paarmal, fast so, als wäre er nervös. Das überraschte mich. Weswegen sollte er nervös sein?
»Kleopatra Selene, seitdem ich dich das erste Mal gesehen habe – selbst noch in Alexandria – hast du mich dazu gebracht, Dinge in Frage zu stellen, die ich zuvor nie in Frage gestellt hatte. Was ich, zugegebenermaßen, nicht immer zu schätzen wusste. Ich wäre glücklich gewesen, den Rest meines Lebens als römischer Gelehrter zu verbringen, aber … aber du hast mich vor neue Herausforderungen gestellt. Und deine lästigen Fragen haben mich nicht mehr losgelassen.«
Ich senkte den Blick und dachte daran, wie sehr es mich gekränkt hatte, dass er mich an jenem verhängnisvollen Nachmittag unter dem Zitronenbaum mit einer lästigen Schmeißfliege verglichen hatte.
»Und so habe ich, ohne irgendjemandem davon zu erzählen, die Möglichkeiten ausgelotet, wie ich mein Erbe in Numidien für mich beanspruchen könnte.«
Mir blieb der Mund offen stehen.
Er lächelte wehmütig. »Ich habe numidisches Punisch gelernt. Und … und ich habe versucht, Argumente zu finden, die Caesar davon überzeugen könnten, mich dort regieren zu lassen.« Er holte tief Luft. »Ich wollte dir … ich habe überlegt ihn zu fragen, ob … dich zu fragen … ob du mich heiraten willst.«
»Was?«
Er wurde rot. »Du bist eine Prinzessin von Ägypten. Das numidische Volk würde dich als Mitregentin willkommen heißen. Ich brauche deine Kraft und deine Entschlossenheit, um mit dir gemeinsam zu herrschen … und es wäre eine Möglichkeit, Alexandros aus Rom wegzubekommen und ihn damit von Julia fernzuhalten.«
Ich starrte ihn weiter entgeistert an. »Aber«, fuhr er fort, »… aber das ist nicht der einzige Grund. Ich … du bedeutest mir sehr viel. Ich möchte dich an meiner Seite haben. Ich möchte dich als meine Königin haben.«
Ich trat einen Schritt zurück. Die Vision der Göttin. Juba hatte mich als seine Königin bezeichnet. Aber in der Vision hatte ich mich von ihm entfernt – und war zu Marcellus gegangen. Was hatte das zu bedeuten? Ich hatte mich gefragt, warum die Göttin mir nicht Gallus gezeigt
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