Mondmädchen
»Hat Caesar dich etwa hergeschickt, um über mich Bericht zu erstatten?«
»Was? Nein«, sagte Juba und stellte sich zwischen mich und den Offizier.
»Du wirst ihm doch nicht verraten, dass der Junge uns entwischt ist, oder?«, fragte der Offizier. »Ich glaube nicht, dass er wichtig war. Er hat vermutlich nur versucht, den Geldbeutel der alten Frau zu stehlen. Sie ist diejenige, die wir ergreifen sollten«, sagte er, und es klang, als müsse er sich selbst davon überzeugen.
»Du hast gesagt, sie sollten sich hier mit jemandem aus Caesars Haushalt treffen?«
Der Offizier nickte, wobei seine Augen beständig über die Menschenmenge glitten und nach Anzeichen von Unruhe Ausschau hielten. »Genau. Caesars Getreue in Ägypten haben ein gefälschtes Siegel entdeckt, und er ist überzeugt, dass jemand aus seinem eigenen Haus einen Abdruck gemacht haben muss, weil es so gekonnt angefertigt war. Aber meine Männer haben zu früh zugegriffen und deswegen haben wir den Verräter verpasst. Bei den Göttern, wo kriegen sie bloß diese Kinder her? Überhaupt keine Disziplin!« Er wandte sich wieder zu Juba. »Der Verräter hat sich vermutlich beim ersten Anzeichen von Ärger aus dem Staub gemacht«, sagte er. »Und nun sag, was führt dich eigentlich in dieses Drecksloch?«
Juba hatte wohl eine eindeutige Handbewegung gemacht.
»O-ho!«, sagte der Offizier. »Ich verstehe. Als kleine Abwechslung geht doch nichts über ein heißes Schäferstündchen in der Subura, was?«
Ich erstarrte.
»Jetzt brauche ich aber noch einen Schluck, bevor wir zurückgehen und uns Caesar stellen. Wie wär’s mit einem kleinen Abstecher in die Taverne dort hinten? Sie kann ja mitkommen, wenn du willst.«
Juba trat von einem Fuß auf den anderen. »Nein, Lucius. Ich will wirklich nur …«
»Schon gut, schon gut. Ich weiß, was du willst. Egal. Ich muss ohnehin Caesar Bericht erstatten.« Endlich stapfte der Offizier in Richtung seiner Männer davon.
Juba wandte sich zu mir. »Folge mir«, befahl er im Flüsterton und packte mich am Handgelenk.
Wir entfernten uns in die entgegengesetzte Richtung von den Soldaten, die den Leichnam der alten Frau fortschleppten. Ich warf noch einen Blick zurück auf die Blutlache, die in einem satten, dunklen Rot glitzerte. Ein dreckiger, barfüßiger Junge steckte eine Hand in die Pfütze aus Blut und zog den tropfenden Dolch heraus, den er zufrieden grinsend in die Sonne hielt, als hätte er einen bedeutenden Schatz gefunden. Eine Frau winkte den Jungen beiseite und goss einen Eimer Wasser über das Blut. Kleine rote Rinnsale rannen über und neben die unebenen Pflastersteine.
Juba zerrte leicht an mir, damit ich nicht stehen blieb. Ich kannte keine der Straßen, denen wir jetzt folgten, doch bald bemerkte ich das Caesarforum, das sich zu meiner Linken erhob. Ich versuchte, mein Handgelenk aus seinem Griff zu befreien.
»Ich will da nicht hin!«, sagte ich voller Verzweiflung. Das Forum war das politische und geschäftliche Herz von Rom. Hier wimmelte es nur so von Senatoren und Mitgliedern des Militärs – genau den Männern, die meinen Vater verraten hatten.
Juba schüttelte den Kopf. »Da gehen wir ja gar nicht hin.«
Ich atmete auf, als er in Richtung des Quirinal-Hügels abbog. »Hier«, sagte Juba. Er drängte mich in eine kleine Taverne in der Nähe der Gärten des Sallust. Ich stolperte in der plötzlichen Dunkelheit; er zog mich zu einem kleinen Tisch in der Ecke.
»Wasdarfssein, der Herr?«, fragte die Tavernenwirtin.
»Wein«, sagte Juba. »Dein bester.«
Ein Mann, der alleine in der Nähe der Tür saß, kicherte in sich hinein. »Das heißt, du sollst nicht reinspucken, Tullia!«, rief er ihr ein wenig angetrunken hinterher.
Noch immer zitternd und verstört zog ich einen niedrigen Holzhocker heran. Juba goss Wein aus einem Krug in einfache Becher aus Ton.
»Trink«, befahl er.
Ich hielt den Becher an die Lippen. Ich hatte das seltsame Gefühl, nicht genau zu wissen, wo ich war. Wenn ich jetzt aus der Tür ging, wäre ich dann wieder zurück im Palast in Alexandria? Wo war Ptoli – wer würde ihm von Tata erzählen?
»Kleopatra Selene«, sagte Juba. »Deine Augen … du musst aufhören, so wild in der Gegend herumzuschauen. Konzentriere dich auf eine Sache. Sieh mich an.« Ich starrte wieder in seine Augen. »So ist es gut«, sagte er. »Atme tief ein. Nein, nein, nicht wieder wegsehen.«
Er legte seine Hand an meine Wange, damit ich meinen Blick nicht abwandte. Seine Handfläche
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