Mondmädchen
war so warm. Ich schloss die Augen, ich wollte nur noch weg hier und für immer schlafen.
»Schschschsch«, flüsterte er mir ins Ohr. »Es ist alles vorbei.«
Er wischte mir über die Wange. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich geweint hatte. Ich schmiegte mich an seine Schulter und er legte die Arme um mich, zog mich an sich. Langsam, ganz langsam begann mein rasendes Herz wieder in einem regelmäßigeren Rhythmus zu schlagen. Ich kam wieder zu mir.
»Besser?«, murmelte er.
Ich nickte, aber ich wollte mich nicht aus seiner wärmenden Umarmung lösen. Dennoch zog er sich zurück und wies mich an, noch einen Schluck Wein zu trinken.
»Was ist geschehen, Kleopatra Selene? Haben die Götter dir Visionen gesandt? Was hast du gesehen?«
»Meinen Vater. Und seinen Diener, Eros. Eros hat sich auch so die Kehle durchgeschnitten … und dann hat Tata … Er hat sein Schwert genommen und dann …«
»Du warst dabei, als dein Vater sich in sein Schwert gestürzt hat?«, fragte er.
Ich nickte wieder.
»Bei den Göttern«, flüsterte er. »Das wusste ich nicht …«
Aber warum sandte die Göttin mir eine solche Vision? Was wollte sie mir damit sagen? Würde es auch mein Schicksal sein, mir selbst die Kehle durchzuschneiden? Ich sprach noch ein stilles Gebet für die alte Frau, die sich das Leben genommen hatte, um das meine nicht zu gefährden. Ich machte mir auch Sorgen um unsere Pläne und um die Sicherheit der Priesterin der Isis. Hatte Gallus uns an Octavian verraten?
»Also«, sagte Juba leise und beugte sich zu mir. »Das ist jetzt wichtig. Sag mir die Wahrheit. Bist du die Verräterin aus Caesars Haus, nach der sie gesucht haben?«
~ Kapitel 40 ~
»Was sollte ich verraten haben?«, fragte ich.
Juba hielt inne. »Rom natürlich.«
Ich gab keine Antwort, doch er musterte mein Gesicht. Dann stöhnte er und fluchte leise in sich hinein. »Bei den Göttern! Wie kannst du nur so … so dumm sein?«
Ich stand auf, sodass der Hocker polternd zu Boden fiel. Die Männer in der Taverne drehten sich zu mir um.
»Ich sollte dich dasselbe fragen. Wie kannst du nur so unglaublich dumm sein und denen die Treue halten, die dir alles genommen haben?«
Ich wandte mich um und ging auf die Tür der kleinen Taverne zu.
»Kleop…« Juba gebot sich selbst Einhalt, bevor er meinen Namen ganz ausgesprochen hatte. »Warte! Bitte«, sagte er und kam hinter mir her. Gemeinsam traten wir in das helle Licht der Straße hinaus. »Es tut mir leid. Ich habe doch nur Angst um dich. Ist dir eigentlich klar, dass man dich beinahe als römischen Staatsfeind hingerichtet hätte?«
»Was weißt du von dieser Geschichte?«, fragte ich.
»Gar nichts. Aber ich habe es mir zusammengereimt. Ist dir bekannt, was mit Gallus geschehen ist?«
Ich blieb stehen und schüttelte vorsichtig den Kopf, mein Puls beschleunigte sich. Andere Fußgänger rempelten uns an, während sie sich auf dem Weg zu verschiedenen Tavernen und Garküchen an uns vorbeischlängelten.
»Wir können hier nicht reden«, sagte er und ergriff meine Hand. »Folge mir.«
Juba führte mich die Via Salaria hinunter und wir bahnten uns unseren Weg durch die überfüllten Gassen bis hin zum Eingang der Gärten des Sallust. Mit ihren schattigen Säulengängen und den überall verteilten kleinen Brünnchen, Wasserbecken und Tempeln gehörten die Gärten zu den schöneren und friedlicheren Orten von Rom. Üppige Zypressen, Pinien, Platanen und Buchsbäume schirmten einen Großteils des kakophonischen Lärms der Stadt ab und dämpften ihn zu einem leisen Dröhnen.
Um diese Tageszeit waren die Gärten weitgehend leer, obwohl die zärtlichen Umarmungen der Paare in den schattigen Säulengängen den Schluss nahelegten, dass es ein beliebter Treffpunkt für junge Liebende war. Juba führte mich zu einer riesigen Weide. Wir schoben die dichten, tief herabhängenden Zweige auseinander, die eine Marmorbank wie ein Vorhang umgaben, und setzten uns hin. Die langen, silbrig-grünen Blätter bewegten sich ganz zart im Wind.
»Was ist mit Gallus geschehen?«, fragte ich.
»Was hattest du mit Gallus geplant?«, erwiderte er beinahe gleichzeitig.
»Du zuerst«, sagte ich.
Er seufzte. »Er hat Selbstmord begangen.«
»Was?«
»Caesar hat eine Verschwörung aufgedeckt. Gallus hatte geplant, ihm die Kontrolle über Ägypten abzuringen. Caesar hat ihn verbannt und er hat sich angesichts dieser Schande in sein Schwert gestürzt.«
Gallus tot. Ich konnte nicht denken. Unsere Pläne
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