Mondmädchen
meinem Rücken, sein Geschmack … Es war etwas ganz anderes, als das, was ich fühlte, wenn ich Marcellus küsste. Bei Juba fühlte es sich an, als wären alle meine Seelen – mein Ka , mein Ba und all meine wahren Ichs – verschmolzen zu einem einzigen Verlangen. Nach ihm.
»Sei meine Königin«, flüsterte er noch einmal an meinem Hals und ich erstarrte in der Erinnerung an meine Vision. Ich war von Juba fortgegangen. Ich hatte zu mir selbst gesagt: Eine Königin muss ihre persönlichen Bedürfnisse dem Wohl ihres Volkes opfern . Wollte die Göttin, dass ich mein Verlangen nach Juba opferte? War das die Bedeutung von all dem?
»Was?«, flüsterte er.
Ich löste mich von ihm. »Es … es darf nicht sein.«
Er wirkte wie vor den Kopf gestoßen. »Warum?«
Wie sollte ich es ihm erklären?
Seine Miene veränderte sich. »Ist es wegen Marcellus?«
Ich gab keine Antwort. Ich konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Göttin vorhatte, mir meinen Thron durch Marcellus wiederzugeben, vor allem, da Gallus nun tot war. Hatte sich nicht auch Mutter mit Julius Caesar verbündet, als ihr Bruder versucht hatte, sie zu stürzen?
»Kleopatra Selene, du musst begreifen, dass Marcellus nur ein Spiel mit dir spielt. Ich habe es dir schon einmal erklärt … Du reizt ihn, weil du dich ihm nicht an den Hals geworfen hast. Ich habe es schon allzu oft miterlebt. Sobald sich ein Mädchen in ihn verliebt, verliert er das Interesse. Und schlimmer noch, wenn Caesar erfährt …«
»Marcellus ist Octavians auserwählter Nachfolger«, sagte ich ruhig. »Er … er wird mir vielleicht dabei helfen, nach Ägypten zurückzukehren.«
In diesem Augenblick war mir klar, dass ich meine Entscheidung gefällt hatte. Meine persönlichen Gefühle – Jubas Gefühle – waren unbedeutend gegenüber der Tatsache, dass ich mein Erbe zurückfordern musste. Aber wenn das stimmte, warum fühlte es sich dann so an, als würde mir mein Innerstes von den Knochen gerissen?
»Du glaubst also, dass er sich um dich bemüht, um dir zu helfen?«, sagte Juba verletzt und wütend zugleich. »Für ihn ist das doch alles nur ein Spiel!«
»Ich kann eine mögliche Zukunft in Ägypten nicht einfach aufgeben. Wenn ich eine starke Bindung zu ihm aufbaue, könnte er mich vielleicht wieder einsetzen …«
»Das würde er niemals tun! Bist du verrückt geworden?«
»Vielleicht bin ich das«, flüsterte ich, während sich mir der Hals zuschnürte. Ich küsste ihn ganz sanft auf die Lippen, bevor ich mich abwandte und aus dem Schatten des Weidenbaumes trat. Ich wollte nicht, dass er meine Tränen sah. Ich wollte nicht, dass er merkte, wie meine Brust trotz aller großspuriger Reden schmerzte angesichts dessen, was ich immer gewusst, aber niemals zugegeben hatte. Nicht einmal vor mir selbst. Ich liebte Juba. Ich hatte ihn immer geliebt.
Aber all das spielte keine Rolle. Ägypten war wichtiger.
~ Kapitel 41 ~
Octavians Diener Thyrsus kam zu mir an das Wasserbecken in Octavias Peristylum , wo ich hingegangen war, um in Ruhe darüber nachzudenken, was heute passiert war. »Caesar hat nach dir gesucht. Er wartet in seinem Zimmer auf dich«, sagte er. »Du sollst jetzt sofort mitkommen – ich werde dich begleiten.«
»Ich weiß, wo sein Tablinum ist«, sagte ich, als wir bei Octavians Haus ankamen.
»Er ist nicht im Tablinum . Er ist in Syracus.«
»Wie bitte?«
»So nennt er sein persönliches Studierzimmer im oberen Stockwerk«, erklärte er. »Komm jetzt. Es wird einfacher sein, wenn ich dich ankündige.«
Ich folgte ihm durch das stickige, dunkle Treppenhaus und zwang mich, gleichmäßig zu atmen. Ich würde keine Angst zeigen, ganz gleich, was Octavian sagte oder zu wissen behauptete.
»Selene ist hier, Herr«, sagte Thyrsus, nachdem er an die schmale Holztür geklopft hatte.
»Führ sie herein.«
Ich betrat einen kleinen, drückend heißen Raum, dessen Wände mit Fresken von Theaterschauspielern bemalt waren, die übertrieben groteske Masken trugen. Die kräftige schwarz-rote Farbe auf dem Hintergrund der Wandgemälde ließ den Raum noch kleiner wirken. Im Zimmer roch es nach abgestandenem Schweiß und saurem Wein und dem leicht ölig verbrannten Duft von Tinte, die aus Lampenruß hergestellt wurde.
»Du kannst gehen«, sagte Octavian zu Thyrsus, doch sein Diener zögerte und blickte ängstlich in meine Richtung.
»Bring mir Wein«, befahl Octavian. Nachdem Thyrsus gegangen war, wandte er sich zu mir und musterte mich eingehend. »Sag
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