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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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geben sie der Frau die Schuld für einen Fehler, den der Mann genauso begangen hat. Und … sieh nur, wie die Griechen Pandora die Schuld für alles Böse auf der Welt geben. Und Iotape hat gesagt, dass in ihrem Glauben der gute Gott den Mann und der böse Gott die Frau erschaffen hat …«
    »Und wofür gibt man Isis die Schuld?«, unterbrach mich Mutter.
    Mir blieb der Mund offen stehen, während ich über all die Geschichten nachdachte, die ich je über die große Gottheit gehört oder gelesen hatte. Ich hielt inne. »Man … man gibt ihr für gar nichts die Schuld. Man … man verehrt sie, weil sie ihren Gatten Osiris auferweckt, den Bösen überlistet und ihren Sohn Horus beschützt hat, damit er Ägypten regieren und die Ordnung wiederherstellen konnte.«
    Mutter lehnte sich zurück und lächelte. Sie sah so zufrieden aus, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn sie ebenso laut geschnurrt hätte wie Hekate auf meinem Schoß. Ich lächelte zurück, obwohl ich nicht sicher war, warum sie meine Antwort so erfreut hatte.
    »Jetzt verstehst du, warum Isis meine Schutzpatronin ist«, sagte Mutter. »Und warum auch du dich mit der großen Göttin verbinden musst.« Sie löste eine Kette, die sie um den Hals trug, und nahm das Amulett, das ich oft zwischen ihren Brüsten hängen gesehen hatte, in die Hand. Sie hielt es mir entgegen. »Die Königin des Himmels ist es, der du folgen musst, nicht einer der geringeren Gottheiten. Denn siehst du, Isis wird nicht nur als ihrem Ehemann ebenbürtig verehrt, sondern auch weil sie für seine Auferstehung verantwortlich ist. Sie ist die wahre Macht von Ägypten. Eines Tages wirst du in ihre Mysterien eingeführt werden – so wie ich es wurde – und die Göttin selbst wird dir zeigen, wie du zu leben hast.«
    Das goldene Amulett mit dem heiligen Knoten der Isis glänzte im Licht, während es von Mutters Fingern baumelte. »Komm, nimm es dir«, wies sie mich an. »Es ist noch weit mächtiger als der Smaragd, der dir ja, wie ich weiß, nie gefallen hat«, fügte sie mit wehmütigem Lächeln hinzu.
    Ich erhob mich mühsam und stieß die Katze von meinem Schoß. Hekate maunzte verärgert angesichts dieser Schmach. »Es tut mir leid, Tochter der Bastet«, murmelte ich aus Gewohnheit. Ich drehte ihr den Rücken zu und hob meine Haare in die Höhe, während Mutter die goldene Kette um meinen Hals befestigte. Das Amulett war noch warm von Mutters Haut und es hing mir fast bis zur Taille hinunter. Mein Hals schnürte sich in seltsamer Erregung zusammen, so als hätte ich eine geheime Prüfung bestanden. Mutter drehte mich zu sich um.
    »Du bist eine wahre Tochter der Isis.« Mutter schloss die Augen und murmelte ein heiliges Gebet mit den uralten Worten des alten Ägypten – eine Sprache, die ich anlässlich meiner Initiation zur Frau lernen würde. Ich schloss ebenfalls die Augen und spürte, wie die Kraft ihrer Worte die Luft um uns vibrieren ließ.
    Ich werde dir folgen, Mutter, so wie ich Isis folgen werde bis zu meinem Tod , schwor ich ihr dann. Möge ich leben, wie du lebst, möge ich regieren, wie du regierst, möge ich sterben, wie du stirbst.
~  Kapitel 5  ~
     
    »Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,
Und viele tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs
Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden,
Und dem Gevögel umher. So ward Zeus’ Wille vollendet.« **
     
    »Gut«, sagte Euphronius und hob die Hand, um meine Rezitation zu beenden. »Aber bevor wir weitergehen, wollen wir noch über diesen mörderischen Zorn des Achilles sprechen.«
    Ich stöhnte innerlich und setzte mich zurück auf meinen niedrigen Hocker. Wir waren die gesamte Ilias schon mehrmals durchgegangen und fingen nun von vorne an, diesmal aus dem Gedächtnis rezitierend. Ich konnte es nicht leiden, wenn Euphronius uns unterbrach, um jede einzelne Zeile auseinanderzunehmen. Ich zog es vor, wenn wir uns einfach auf die Geschichte konzentrierten, auf die Kämpfe, die großen Augenblicke von Opfern, Mut und Leidenschaft.
    Wir saßen in einem kleinen, schattigen Garten vor den Lesesälen der großen Bibliothek. Ich richtete den Blick nach oben und blinzelte in den strahlend blauen Himmel, wo die Palmwedel die zarten weißen Wolken aufzuspießen schienen. Vom königlichen Hafen her hörte man von Zeit zu Zeit die Rufe der Matrosen und Kaufleute herüberschallen.
    »Nun«, fuhr Euphronius fort und riss mich aus meinen

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