Mondmädchen
uns behüten.«
»Bin ich gar nicht!«
»Und genauso aufbrausend, wie ich sehe«, fügte Mutter hinzu.
»Das ist nicht wahr!«, setzte ich in wütendem Ton an, um sogleich zu merken, dass ich soeben dabei war, den Beweis für ihre Behauptung zu erbringen. Also hob ich nur das Kinn und zog die linke Augenbraue in die Höhe. »Ich bin mehr wie du, Mutter. Ich bin eine Königin.«
Das brachte zu meiner großen Erleichterung beide, Mutter und Charmion – die sich zu uns ins Wasser begeben hatte – zum Lächeln.
Ich schwamm zu einer blauen Lotosblüte hinüber, die gegen die Seiten des Beckens gespült worden war. Ich wandte mich um, um sie Mutter zu zeigen, doch die große, schlanke Charmion, deren welliges Haar ihre kleinen Brüste bedeckte, flüsterte ihr gerade etwas ins Ohr. Mutter lehnte sich gegen ihre Hände zurück, während sie sich von ihrer Hofdame den Kopf massieren ließ. Ich staunte über ihre lockere Vertrautheit und fühlte mich ausgeschlossen.
Ich brachte die Blüte dennoch zu den beiden hinüber. Mutters gold-grüne Augen funkelten, als sie mein Geschenk entgegennahm. »Sag mir, meine Tochter«, sagte sie, nachdem sie an der blauen Mitte der Blüte gerochen hatte. »Warum hast du Euginia ausgewählt?«
Ich blinzelte, weil ich nicht wusste, was ich antworten sollte, da ich ja vor allem nicht wusste, wofür ich sie ausgewählt hatte.
»Jemanden als Hofdame auszuwählen ist nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte«, fuhr Mutter fort.
Mir blieb der Mund offen stehen und ich war froh zu sehen, dass sich die Augen meiner Mutter geschlossen hatten, während Charmions sanfte Finger über ihren Kopf glitten. Ich hatte meine Hofdame gewählt, meine mir anvertraute Begleiterin fürs ganze Leben? Aber diese Wahl und die Zeremonie sollte doch erst in einigen Jahren stattfinden, wenn ich die Kindheit hinter mir ließ – und gewiss nicht so!
Charmion hatte wohl mein Entsetzen bemerkt, denn sie flüsterte meiner Mutter etwas ins Ohr: »Manchmal ist es auch die Dienerin, die sich ihre Herrin erwählt. Nicht wahr?«
Mutter lachte »Ja. Nun, wie auch immer du zu dieser Entscheidung gekommen bist, die du da getroffen hast, es ist eine sehr gute Wahl«, sagte sie. »Sie ist eine, die auch ich für dich gewählt hätte.«
»Mutter«, warf ich vorsichtig ein. »Was hat meine Wahl zu bedeuten?«
»Um deine Hofdame zu werden, wird Euginia hierher in den Palast ziehen, um mit dir gemeinsam erzogen zu werden. Diese große Ehre hebt den Stand ihrer ganzen Familie. Sie wird wahrscheinlich deine vertrauteste Beraterin und Begleiterin werden und dir ihr Leben in einem heiligen Eid zu den Göttern weihen.«
»Es ist genau dieser Werdegang, den auch ich durchlaufen habe«, fügte Charmion hinzu. »Obwohl wir erst damit begonnen haben, als die Königin schon etwas älter war als du heute.«
Mir schwirrte der Kopf. Wieso hatte man mir nicht gesagt, dass ich meine Hofdame wählen würde? Warum durchbrach Mutter das Protokoll und ließ mich diese Wahl Jahre zu früh treffen und mit so wenig Vorwarnung oder Vorbereitung? Hätte ich mich vielleicht für eine andere entscheiden können? Ich kannte die anderen Mädchen kaum, die von Zeit zu Zeit an unserem Unterricht und unseren Festessen teilnahmen. Nein. Euginia war so gut wie jede andere, die ich hätte auswählen können.
»Ich habe diese Wahl vorgezogen, weil dein Vater und ich in wenigen Tagen nach Griechenland aufbrechen, wo wir unser Kriegslager errichten und den Feldzug vorbereiten werden«, fügte Mutter fast beiläufig hinzu.
Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was sie da sagte. »Warte. Du gehst mit Vater, wenn er in den Krieg zieht?«
Charmions Hände erstarrten und Mutter setzte sich auf. Mit den glatt zurückgestrichenen Haaren und der vom warmen, duftenden Wasser geröteten Haut sah sie aus wie eine glänzende und geheimnisvolle Königin des Meeres. Eine wütende Königin. »Und warum sollte ich das nicht tun?«, fragte sie.
»Weil … weil du noch nie zuvor mit Tata in den Krieg gezogen bist. Weil er der Feldherr ist und nicht du.«
Mutters Gesicht wurde ganz starr und sie warf mir einen scharfen Horus-Blick zu. »Octavian hat mir den Krieg erklärt, meine Tochter. Es ist mein Königreich, das für diesen Krieg bezahlt; es ist meine Flotte, die das Meer verteidigt, während dein Vater auf dem Land angreift. Und ich bin es, die Octavian vernichten will, damit er mein geliebtes Ägypten plündern kann. Warum sollte ich also nicht
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