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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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sich große Männer zu ihren Füßen niederwarfen. Und obwohl ich am Altar der größten Göttin von allen, Isis, gebetet hatte.
    Aber ich begann, dieser Frage mehr Aufmerksamkeit zu schenken, und was ich beobachtete, verwirrte mich zunehmend. Mutter hatte keine Frauen in ihrem Beraterstab. Nur wenige der Bittsteller waren Frauen. Manchmal sahen wir eine Frau unter den Gelehrten in der großen Bibliothek, aber nicht oft. Und nie besuchten weibliche Abgesandte anderer Staaten die Königin. Was hatte das zu bedeuten? Und warum war es mir nie zuvor aufgefallen?
    Ein paar Tage später, als ich Mutter wieder einmal mitten in der Nacht besuchte, fragte ich sie danach. Mutter las ihre Korrespondenz, während ihre Zofe Iras gegen den Schlaf ankämpfte und ich ruhelos im Zimmer auf und ab ging. Ich hörte ein Kratzen an der Tür zu Mutters innerster Schlafkammer und öffnete sie. Mutters kleine, schlanke Katze Hekate kam herausgeschossen. Ich warf einen Blick hinein und entdeckte Tata, der unbekleidet bäuchlings auf Mutters Bettstatt lag. Er schnarchte und ich erschrak.
    »Mach die Tür zu«, sagte Mutter mit gedämpfter Stimme.
    Ich gehorchte. »Warum schläft Tata dort drinnen?«, fragte ich.
    »Er schläft nicht nur, er schläft seinen Rausch aus«, murmelte Iras.
    Mutters Kopf fuhr überrascht zu ihr herum. Iras errötete. »Es tut mir leid, Hoheit. Ich wollte nicht respektlos sein …«
    »Lass uns allein«, sagte Mutter mit einer Kälte in der Stimme, die mir eine Gänsehaut verursachte.
    Mutter wandte sich wieder ihrer Lektüre zu, nachdem Iras gegangen war, aber ich merkte an ihrer wütend gerunzelten Stirn, dass sich ihre Laune verdüstert hatte. Nach einer Weile warf sie die Schriftrolle auf den Tisch. »Bei den Göttern, Kind, hör mit diesem infernalischen Hin- und Hergerenne auf«, sagte sie. »Was beschäftigt dich?«
    »N-nichts.«
    Mutter rieb sich den Punkt zwischen ihren Augenbrauen und blickte dann zu mir auf. Ihre goldgrünen Augen leuchteten im flackernden Licht der bronzenen Hängelampe. »Euphronius hat mir berichtet, dass du dich auf eine Debatte mit einem heiligen Mann im Judenviertel eingelassen hast.«
    Mir krampfte sich der Magen zusammen. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass Euphronius unserer Mutter Bericht über unser Verhalten erstattete. »Es tut mir leid«, stotterte ich. »Es ist nur … ich hatte ein paar Fragen …«
    Mutter machte eine Handbewegung, um mich zum Schweigen zu bringen. »Nein. Du darfst dich nie dafür entschuldigen, schlaue Fragen gestellt zu haben. Aber du musst lernen, es so zu tun, dass du dabei diejenigen nicht verärgerst, denen du sie stellst.«
    »Aber ich habe den Rabbi nicht verärgert, das schwöre ich.«
    »Nun, aber deinen Lehrer hast du verärgert.« Mutter ließ ihren Blick zu Hekate hinüberschweifen, die sich mit großer Sorgfalt die Pfoten leckte. Sie fügte leise hinzu. »Als ich jung war, war ich dir sehr ähnlich.«
    Ich starrte unsicher vor mich hin, da ich nicht wusste, wie ich auf dieses seltsame Geständnis reagieren sollte.
    »Ein neugieriger, unruhiger Geist ist gut für eine Herrscherin«, fuhr sie fort. »Vielleicht dem Schlaf nicht besonders förderlich, das mag sein, aber es eröffnet dir die Möglichkeit, Blickwinkel zu erforschen, die andere noch gar nicht in Betracht gezogen haben.«
    Ich ließ mich auf einem Kissen gegenüber meiner Mutter nieder und Hekate sprang mit einem Satz auf meinen Schoß. Peinlich berührt vor Freude fummelte ich an dem smaragdbesetzten Halsband der Katze herum. Mutter hatte gesagt, ich sei wie sie! Nichts hätte mich stolzer machen können. Mutter war berühmt für ihren wachen Verstand, ihren Wagemut und ihre Risikobereitschaft. Als ihre Nebenbuhler um den ägyptischen Thron sie ins Exil verbannt hatten, hatte sie in der Fremde eine Armee aufgebaut. Sie war ihrer Ermordung entgangen, indem sie sich in einem Teppich versteckt hatte, und hatte sich dann mit Caesarions Tata, Julius Caesar, verbündet. Und sie hatte durch geschickte Verhandlungen viele von Ägyptens verlorenen Provinzen wiedererlangt zu einer Zeit, als Rom sonst eher Land wegnahm, als es zurückzugeben.
    »Also sag mir«, fragte Mutter und riss mich aus meinen Träumereien. »Was hat dich an den Geschichten des Rabbi so beschäftigt?«
    »Warum schieben die Männer immer den Frauen die Schuld in die Schuhe?«, platzte ich heraus.
    Mutter hob die Augenbrauen in die Höhe und lehnte sich nach vorn. »Tun sie das?«
    »Ja! In der Religion des Rabbis

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