Mondmilchgubel Kriminalroman
ich wütend bin, werde ich zur Bestie.« Sie sieht, wie er zusammenzuckt. »Glauben Sie mir, ich bin eigensinnig und sehr ehrgeizig, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe.«
»Alle Achtung. Sie können einen ganz schön einschüchtern.«
Sie lässt ihn nicht aus den Augen. »Was, wenn Kuno die Kette in seiner Wohnung versteckt hat?«
»Es ist Sache der Staatsanwältin Kurtz, eine Hausdurchsuchung anzuordnen. Sie hat meinen Antrag abgelehnt. Leider fehlen mir die nötigen Beweise, die eine Hausdurchsuchung rechtfertigen. Ihre Freundin hatte übrigens in der Nacht vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr mit Vinzens.«
»Na und?«
»Wussten Sie, dass Iris Brunner in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag mit Vinzens verabredet war?«
»Ja.«
»Und warum haben Sie mir nichts davon gesagt?«
»Sie haben mich nicht danach gefragt.«
»Vinzens teilte uns mit, dass sich Frau Brunner von ihrem Mann trennen wollte. Wussten Sie darüber Bescheid?«
»Ja.«
Möller kneift verärgert die Lippen zusammen.
»Die Frage sollte wohl eher lauten, ob Kuno darüber Bescheid wusste. Er hat als Einziger ein Mordmotiv. Vielleicht hat er seine Frau zur Rede gestellt, und es kam zu einer Auseinandersetzung. Haben Sie die Nachbarn befragt? Möglicherweise haben die etwas gehört oder gesehen. Kuno fährt zuerst ins Büro, teilt seiner Sekretärin mit, dass er zu seinem Kunden fahren wird. Um welche Zeit war sein Kundentermin?«
»Neun Uhr.«
»Ein Kunde in Rüti?«, fragt sie weiter.
Er nickt.
»Wann genau ist Iris gestorben?«
»Zwischen zehn und zwölf Uhr.«
»Na, sehen Sie. Kuno fährt also wie verabredet zu seinem Kunden nach Rüti. Um Viertel vor elf verabschiedet er sich von ihm, rast zurück nach Wald, hinauf zur Wolfsgrueb. Jeder weiß, dass er gern schnell fährt. Er kann diesen Weg problemlos in 20 Minuten zurücklegen. Er stellt sein Auto auf den Wolfsgrueb-Parkplatz, setzt sich auf sein Mountain-Bike und fährt zum Gubel. Er hat sein Bike immer im Auto. Er ist körperlich fit. Für die Strecke braucht er kaum mehr als zehn Minuten. Mit anderen Worten, er war zur Todeszeit, das heißt um Viertel nach elf, in der Höhle. Er hofft, Iris dort mit ihrem Liebhaber in flagranti zu ertappen, doch er findet seine Frau allein vor. Er spricht mit ihr und fleht sie an, ihn nicht zu verlassen. Als sie sich nicht umstimmen lässt, rastet er aus und erwürgt sie. Eine halbe Stunde später ist er bei sich zu Hause. Wie Sie ja bereits wissen, hat er mich kurz vor zwölf von seinem Privatanschluss angerufen. Selbstverständlich könnte alles auch früher stattgefunden haben.«
»Ich gebe zu, Sie haben eine lebhafte Fantasie. Der Kunde bezeugt aber, dass Brunner das Büro erst kurz vor halb zwölf verlassen hat. Wir haben auch Brunners Fahrrad überprüft. Die Reifen waren sauber.«
»Unterschätzen Sie Kuno nicht. Natürlich hat er alle Spuren beseitigt.«
»Übrigens behauptet Brunner, noch nie im Mondmilchgubel gewesen zu sein«, unterbricht er sie.
»Blödsinn. Als Einheimischer kennt er sich in der Gegend gut aus. Bestimmt wusste er auch, dass seine Frau die Höhle regelmäßig aufsucht.«
»Schön und gut, aber es fehlen die Indizien. Beim Zeugen handelt es sich um einen Mitinhaber einer renommierten Privatbank.«
»Was in der heutigen Zeit wenig zu bedeuten hat. Wie sagt man so schön, eine Hand wäscht die andere.«
»Es wird sich zeigen.«
»Wie hat Kuno reagiert, als Sie ihn über Iris’ Liebhaber in Kenntnis gesetzt haben?«
»Er schien sehr betroffen.«
»Er hat also so getan, als habe er davon nichts gewusst?«
»Sagten Sie nicht selbst, dass Iris verschwiegen war?«
Sie ignoriert seine Frage. »Haben Sie ihn nach der Kette gefragt?«
»Noch nicht.«
»Haben Sie Edelmann gefunden?«
»Ja.«
»Und?«
»Wir haben ihn festgenommen.«
»Hat er ein Alibi?«
»Nein. Er behauptet, am fraglichen Tag wandern gegangen zu sein.«
»Wo?«
»Auf den Bachtel.«
»Und natürlich hat ihn niemand gesehen.«
»So ungefähr. Er hat übrigens behauptet, dass er regelmäßig mit Iris Brunner wandern gegangen sei und sie sich gut verstanden hätten.«
»Er lügt.«
»Ist es nicht denkbar, dass es Dinge gab, die Ihre Freundin Ihnen verschwiegen hat? Sie wusste ja, wie Sie über diesen Edelmann denken.«
»Natürlich gab es Dinge, die sie mir verschwiegen hat«, erwidert sie verärgert. »Aber ich bin sicher, dass Edelmann lügt. Wie hat er auf die Todesnachricht reagiert?«
Möllers Stirn legt sich in Falten.
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