Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
er durchgedreht.“
„Er war hier? Es geht ihm gut?“
„Ja, körperlich schon. Er hat mehrere Maküle organisiert, die Scarlett und Hanns hierhergebracht haben. Mehr konnte er für die beiden nicht tun. Ich habe es auch nicht übers Herz gebracht, ihm die Wahrheit zu sagen.“
„Welche Wahrheit?“, fragte Lisandra.
„Sie werden es nicht schaffen. Keines der Giftopfer wird es schaffen.“
„Was?“, rief Lisandra. „Aber Sie suchen doch nach einer Lösung, oder? Oder was machen Sie da am Tisch mit den Reagenzgläsern?“
„Irgendwas muss ich doch tun, Lisandra!“, erwiderte Estephaga. „Ich kann ja nicht tatenlos zusehen. Aber Tatsache ist: Ich werde in zehn Minuten keine wissenschaftliche Entdeckung machen, für die andere Wissenschaftler ein Leben lang brauchen! Dämonengift ist eine heikle Angelegenheit. In harmloseren Fällen wurden schon Gegengifte gefunden, aber Yu Kons Wandler sind berühmt-berüchtigt.“
„Was soll das heißen?“, fragte Lisandra mit sich überschlagender Stimme. „Dass sie sterben?“
„Genau das heißt es“, sagte eine vertraute Stimme hinter Lisandra.
Sie drehte sich um und sah, dass Haul die ganze Zeit hinter ihr gestanden hatte. Er lehnte an der Wand der Krankenstation und war fast genauso bleich wie Hanns und Scarlett.
„Du nicht auch?“, fragte Lisandra schockiert.
„Nein, mich hat keiner erwischt, falls du das meinst“, antwortete Haul, dessen Blick die ganze Zeit auf Hanns ruhte. Er starrte in diese Richtung, als gäbe es nichts anderes mehr auf der Welt. Seine schwarzen Flammen-Pupillen bewegten sich kaum, der Ausdruck seiner Augen war erfüllt von Trauer und Schmerz. „Ich hätte auf ihn aufpassen müssen. Es wäre meine Aufgabe gewesen! Ich hätte ihm verbieten müssen zu fliegen, denn wenn er fliegt, kann ich ihm nicht folgen.“
Lisandras Augen füllten sich mit Tränen. Es durfte nicht wahr sein! Scarlett durfte nicht sterben und Hanns auch nicht. Ein so großer Kummer überkam Lisandra, dass sie kaum noch denken konnte. Sie starrte die beiden an und während sie es tat, bohrte sich langsam, leise und unaufhaltsam eine weitere Erkenntnis in Lisandras benommenes Bewusstsein. Haul! Was würde mit Haul geschehen, wenn Hanns starb? Haul musste von Hanns beschworen werden, um zu überleben. Ohne Hanns wäre Haul so gut wie tot!
„Ich habe Kontakt zur Regierung aufgenommen“, hörte sie die müde Stimme von Grohann sagen. Er hatte es nun auch bis zur Krankenstation geschafft, doch dort angekommen, ließ er sich auf den nächsten Schemel fallen, den er erreichen konnte. „Sie schicken uns alles an Gegengiften, was im Entferntesten infrage kommt. Doch sie machen uns wenig Hoffnung, dass auch nur eines der Gegengifte brauchbar ist. Zumal die meisten Giftopfer tot sein werden, wenn die Flugwürmer der Regierung hier ankommen.“
„Wieso, wann kommen sie denn?“, fragte Lisandra.
„In einer Stunde.“
„Und wie viel Zeit haben …“
„Scarlett und Hanns? Nicht mehr lange. Was glauben Sie, Estephaga?“
„Eine Viertelstunde vielleicht.“
„Kann man diese Zeitspanne nicht verlängern?“, fragte Lisandra.
„Was meinst du, warum sie überhaupt noch leben?“, fragte Estephaga zurück. „Ich habe getan, was ich konnte!“
Lisandra sah nichts mehr vor lauter Tränen. Sie drehte sich um und drückte ihr Gesicht gegen Hauls Brust. Er schloss die Arme um sie, aber sie hatte den Eindruck, dass er kaum wusste, was er tat. Wenige Minuten später kamen Geicko und Berry mit Jumi auf der Krankenstation an. Als sie erfuhren, dass es für Jumi und die anderen Giftopfer keine Hoffnung gab, reagierten sie so fassungslos und ungläubig, wie es Lisandra getan hatte.
„Was?“, rief Berry. „Es gibt kein Gegengift?“
„Wie oft soll ich es noch wiederholen?“, antwortete Estephaga genervt und hielt den Inhalt eines Reagenzglases ins Licht. „Ich sehe mir das Zeug hier an und weiß, es gibt keine Lösung! Aber auch nicht die geringste!“
Nach Estephagas Ausbruch traute sich erst mal niemand mehr, Fragen zu stellen. Geicko war der Erste, der wieder zu sprechen anfing, aber nur leise in Lisandras Richtung.
„Du, Lissi, geht’s dir wirklich gut?“, fragte er.
Lisandra löste sich aus Hauls Armen.
„Doch, mir geht es gut! Mach dir keine Sorgen um mich!“
„Der eine Wandler hat dich direkt angeatmet! Du bist fast umgekippt – weißt du nicht mehr? Du hast bestimmt was abbekommen!“
Grohann sprang von seinem Schemel auf und Estephaga griff
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