Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Glück?“
„Dass du mich in irgendeiner Weise glücklich machen könntest, will ich mir gar nicht vorstellen. Aber tatsächlich kann ich Hilfe gebrauchen. Deine Hilfe und das Mondpapier.“
„Das … was?“
„Hylda!“
Sie löste ihre Arme aus der Verschränkung und tippte sich mit der Fingerspitze ihres rechten Zeigefingers auf die Unterlippe. Das tat sie immer, wenn sie eine Chance witterte. Eine große Chance.
„Mal angenommen, ich wüsste, von was für einem Zeug du da redest, Ziegenmann – was wäre mein Anteil an dem Geschäft? Was bekomme ich am Ende dafür?“
„Golding und deine Freiheit.“
Hyldas Augen glitzerten von Nässe und Gier.
„Wie könnte ich dir vertrauen, Hufträger?“
„Ja, das ist schwierig, wenn zwei Gewissenlose aufeinandertreffen, nicht wahr, Hylda? Wie wäre es, wenn wir uns gegenseitig einen Vorschuss gewähren? Du leihst mir dein Mondpapier aus und ich verschaffe dir einen Wirt in Sumpfloch.“
Hylda wandte sich ab und starrte in das stinkende, brodelnde Gebräu ihres Kessels.
„Tja … irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich im Nachteil bin“, stellte sie fest. „Du könntest mir den Wirt jederzeit wegnehmen und das Mondpapier behalten.“
„Viel zu verlieren hast du aber auch nicht. Dagegen bietet dir der Wirt viele Möglichkeiten! Ach ja, eins habe ich noch vergessen zu erwähnen ...“
Hylda warf den Kopf herum und schaute Grohann gespannt an.
„Was?“
„Yu Kon wird in diesem Winter nach Sumpfloch kommen, um Lisandra zu unterrichten.“
„Wirklich?“ Hylda gab für einen Moment alle feindselige Zurückhaltung auf und machte einen Schritt auf Grohann zu. „ Der Yu Kon?“
„Ja. Kein anderer als er.“
„Gut“, sagte sie. „I ch bin dabei!“
„Schön zu hören. Aber bevor der Handel gilt, will ich das Mondpapier sehen!“
Hylda drehte Grohann den Rücken zu und krempelte ihren linken Ärmel hoch.
„Da gibt es nicht viel zu sehen“, sagte sie. „Es ist nur ein zusammengerolltes Stück Papier. Seine Wirkung wird überschätzt.“
„Mag sein, aber ich will mich mit eigenen Augen davon überzeugen.“
Mit einigen Handgriffen, denen ein gewöhnliches menschliches Auge kaum hätte folgen können, löste Hylda eine Kapsel aus ihrem Armreif, die die Form eines dicken, bauchigen Füllers hatte. Sie drehte die Kapsel nach einem bestimmten Prinzip hin und her, bis sie aufsprang.
„Bitteschön“, sagte sie, als sie Grohann die kleine Rolle aus schneeweißem Papier überreichte. „Damit du an deinen einsamen Abenden was zu tun hast. Und jetzt verschaff mir einen brauchbaren Wirt. Ich habe es satt, hier eingesperrt zu sein!“
Grohann rollte das Papier auf, das in seinen großen, starken Händen klein, zart und brüchig aussah. Der Blick seiner braunen Steinbockaugen glitt über die makellos weiße Fläche, auf der nichts geschrieben stand.
„Tatsächlich“, sagte er. Und sonst sagte er nichts mehr.
Lisandra war glücklich darüber, dass sie neuerdings durch Wände gehen konnte. Es erleichterte ihr Leben in Schwammling, dem Gutshof des Geldmorguls Perm. Kam nämlich dieser röchelnde, eklige Morgul den Flur entlanggeschlurft, keuchend unter seinem Gewicht und sabbernd aufgrund seiner überzähligen Speicheldrüsen, auf die Morgule wie er auch noch stolz waren, dann konnte Lisandra einfach verschwinden. Schleimig und unablässig rann der Sabber über die Speckfalten des Morguls, die er kaum verhüllte, abgesehen von einem Schurz aus gewebtem Menschenhaar. Lisandra hasste alle Morgule, die sie bisher in Schwammling hatte kennenlernen müssen, doch am meisten von allen hasste sie Morgul Perm, den Herrn von Schwammling, der ein stinkreicher Tyrann war, Ausbeuter einer ganzen Provinz und Besitzer von Lisandras Mutter.
Wie die meisten von Perms Sklaven war Lisandras Pflegemutter noch sehr jung gewesen, als sie sich für wenig Geld als Magd an den Geldmorgul verkauft hatte. Kallima, so hieß Lisandras spätere Mutter, war fest davon überzeugt gewesen, dass sie sich eines Tages wieder freikaufen könnte. Ihre Eltern hatten damals hohe Schulden gehabt, die der Geldmorgul zu begleichen versprach, was er auch getan hatte, nachdem Kallima ihren Namen unter den verhängnisvollen Vertrag geschrieben hatte. Seitdem waren zwanzig Jahre vergangen und Kallimas Schulden beim Morgul waren nicht weniger geworden, sondern um ein Vielfaches angewachsen. Er berechnete ihr Kosten für Essen, Trinken, Schlafen und die dürftige Kleidung, die sie
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