Mondschein, Kuesse Und Amore
musst mir gar nicht mehr erzählen.“
„Doch, muss ich. Damit du verstehen kannst, warum ich will, dass unser Kind ein sicheres, stabiles Zuhause hat. Meine Eltern haben sich mehrmals getrennt, als ich klein war. Manchmal hat meine Mutter mich mitgenommen, nur um meinen Vater zu ärgern, aber meistens vergaß sie mich einfach.“ Wieder holte er tief Luft. „Als ich knapp fünf war, trennten sie sich endgültig. Und dann kam die Schlacht ums Sorgerecht. Aber dabei ging es nicht um mich – es ging um das, wofür ich stand.“
Sie schwieg, strich ihm aber das Haar aus der Stirn. Als wollte sie ihn trösten, den Schmerz lindern.
Nichts konnte den Schmerz lindern.
„Für meinen Vater war ich der Stammhalter.“ Er lächelte grimmig. „Nicht dass Nonno so blöd war, ihm die Leitung der Firma zu überlassen. Mein Vater verprasste fast genauso viel Geld wie meine Mutter. Schnelle Autos, die er allesamt zu Schrott fuhr. Teure Jachten, die er nicht einmal segelte, ehe er sie mit Verlust wieder verkaufte. Ich war sein Druckmittel. Solange er mich hatte, half Nonno ihm immer wieder aus der Patsche. Ich war nicht sein Sohn – ich war seine Goldmine.“
„Was ist mit deiner Mutter? Ich meine – sie hatte dich immerhin neun Monate in ihrem Bauch. Sie muss dich abgöttisch geliebt haben, als du geboren wurdest.“
Wie konnte Ella so naiv sein? So gutgläubig? „Nein. Ich diente nur dazu, meinem Vater eins auszuwischen. Wenn sie mich hatte, hatte er mich nicht, und das gab ihr das Gefühl, gewonnen zu haben. Ganz zu schweigen von den zusätzlichen Unterhaltszahlungen.“ Er seufzte. „Nachdem sie sich endgültig getrennt hatten, lebte ich eine Weile bei ihr. Obwohl ich sie selten zu Gesicht bekam. Sie schlief immer lange, weil sie jede Nacht durchfeierte. Ich hatte eine Reihe desinteressierter Kindermädchen, die ihre Freunde zu uns einluden und mich vor den Fernseher setzten, während sie …“ Er räusperte sich. „Sagen wir einfach, sie waren hinter verschlossener Tür mit anderen Dingen beschäftigt.“
„Das ist ja furchtbar.“
„Und als meine Mutter dann das alleinige Sorgerecht bekam, weil der Richter meinem Vater nicht zutraute, sich um mich zu kümmern, wollte sie mich in ein Internat stecken, damit ich ihr nicht länger im Weg bin. Das erzählte sie all ihren Freunden, während ich still in der Ecke spielte. Ich habe keine Ahnung, ob sie nicht wusste, dass ich jedes einzelne Wort verstand, oder ob es ihr egal war.“ Er sah Ella an. „Dafür hatte ich alles, was man mit Geld kaufen konnte. Meine Eltern versuchten sich mit Geschenken gegenseitig zu übertreffen.“
„Aber du hattest niemanden, der für dich da war. Deine Kindheit war das absolute Gegenteil von meiner“, stellte sie fest. „Meine Mutter konnte es sich nicht leisten, mir viel zum Geburtstag oder zu Weihnachten zu schenken. Meine Kleider waren alle gebraucht. Aber sie war immer für mich da. Jeden Abend hat sie mir Geschichten vorgelesen – aus Büchereibüchern, weil sie sich selbst keine leisten konnte. Und ich wusste immer, wie sehr sie mich liebte. Sie sagte es mir jeden einzelnen Tag.“ Sie streichelte sein Gesicht. „Ich hatte eine glückliche Kindheit, Rico. So soll mein Kind auch aufwachsen. Geld ist unwichtig. Was zählt, ist Liebe.“
Er wusste, dass sie recht hatte. Und die Erkenntnis ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er hatte die besten Absichten, aber woher sollte er wissen, wie man ein guter Vater war? Mit Kindern kannte er sich nicht aus. Er war zwar der Patenonkel der Kinder seines besten Freundes, aber das hatte eher symbolischen Wert. Er konnte nur vermuten, dass die Lieblingsfarbe seine Patentochter rosa war und sein Patensohn auf Spielzeugautos stand. Er fragte Sofia, ihre Mutter, was sie sich zum Geburtstag oder zu Weihnachten wünschten.
„Und bist du dann im Internat gelandet?“
„Nein, am Ende haben meine Großeltern das Sorgerecht für mich erstritten.“
„Sie haben dich also so sehr geliebt, dass sie dich gerettet haben.“
„Sie haben den Erben der Firma gerettet“, korrigierte er. „Sie schickten mich zu diversen Spezialisten und irgendwann fing ich wieder an zu sprechen.“ Obwohl das eher daran lag, dass seine Großeltern sich nicht die ganze Zeit anschrien und mit Gegenständen bewarfen, als an den Ärzten.
„Und als ich wieder anfing zu lesen und zu schreiben und in der Schule aufholte, spornte mein Großvater mich zu immer besseren Leistungen an. Mit vierzehn fing ich
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