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Mondscheinjammer

Mondscheinjammer

Titel: Mondscheinjammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hoehne
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schon nach sieben war, war es noch immer ziemlich warm. In seinen schmutzigen Händen hielt er eine Schaufel und an seinen Stiefeln klebte Heu.
    "Reicht dir Jerry etwa nicht? Oder die Hühner hier?" Er wies mit dem Kopf auf den Verschlag. Er war neu, gerade mal einen Monat alt, denn Dad hatte ihn erst kurz nachdem wir die Farm übernommen hatten gekauft. Auf einen Hof gehörten seiner Meinung nach Hühner, und Mom und ich warteten nur auf den Tag, an dem er die erste Kuh mit nach Hause brachte.
    Sam gehörte zu den fünf Männern, die ebenfalls auf der Farm arbeiteten. Er war nicht viel älter als ich, Anfang zwanzig vielleicht, und er half überall dort, wo Hilfe gebraucht wurde. Wir hatten erst ein paarmal miteinander gesprochen und ehrlich gesagt, mochte ich es nicht, wie er mit mir redete. Alles, was er sagte, klang irgendwie belehrend und sein Blick zeigte deutlich, dass er mich für eine ziemlich arrogante Großstadtpflanze hielt, womit er gar nicht mal so Unrecht hatte. Ich hielt ihn ja auch für nichts anderes als einen hirnlosen Dorfdeppen.
    Da mein Vater heute bei seiner Familie zum Essen eingeladen worden war, hatte er es scheinbar übernommen, nach den Hühnern zu sehen. Normalerweise half Cal immer dabei, doch mein Bruder schien sich ernsthaft Etwas eingefangen zu haben. Wegen eines kleinen Schnupfens ging er jedenfalls nicht so früh ins Bett.
    "Das ist ein Schulprojekt", antwortete ich und blieb zögernd stehen.
    Ich musterte ihn von oben bis unten und versuchte dabei, einen besonders selbstsicheren Eindruck zu machen. Er war braungebrannt und trug Jeans und irgendein Shirt, das durch seine Arbeit auf den Feldern fleckig geworden war. Tatsächlich sah er so aus, als wäre er geradewegs einem Western entsprungen, und ich fragte mich unwillkürlich, ob er mit einem Pferd oder dem Wagen gekommen war? Stilechter konnte kein Cowboy aussehen.
    Sein Vater besaß eine riesige Pferderanch, die allerdings mittlerweile von seinen beiden älteren Brüdern bewirtschaftet wurde. Ich wusste nicht, ob Sam freiwillig für meinen Vater arbeitete, denn schließlich gab es auf der Ranch seiner Familie sicherlich mehr als genug zu tun. Soweit ich wusste, gehörten die Hudsons sogar zu den größten Arbeitgebern der Gegend.
    "Ein Schulprojekt? Das ist ein Lebewesen!" Er machte ein paar Schritte auf mich zu und warf einen Blick in den Käfig.
    "Ja… richtig." Ich kam mir mit einem Mal furchtbar dumm vor, wie eigentlich immer, wenn ich mit Sam sprach. Wie schaffte er es nur immer wieder, dass ich mich in seiner Gegenwart wie ein kleines Mädchen fühlte?
    Mit beiden Händen umklammerte ich den knallroten Plastikstall, den Mom und ich in Dottis Tante-Emma-Laden gekauft hatten. Viel Auswahl hatte es nicht gegeben, doch zu Moms Freude hatten wir sogar noch zwei leuchtend grüne Plastikrohre gefunden, in die sich Manfred jetzt zurückgezogen hatte. Der Käfig wurde komplettiert durch ein quietschblaues Haus, es war das einzig vorrätige, und ein sonnengelbes Laufrad.
    "Was sollst du untersuchen? Wie man Tiere mit Knallfarben in den Wahnsinn treibt? Der arme Kerl muss ja kurz vor dem Kollaps stehen." Sam ging in die Knie und lugte in das Rohr hinein.
    "Er hat frisches Wasser, Gurke und Spezialfutter bekommen", begann ich sofort mich zu verteidigen. "Außerdem habe ich mir das nicht ausgesucht. Mr. O'Leary hat mir Manfred aufs Auge gedrückt, ich hätte auch lieber die Fruchtfliegen gehabt." Und eine andere Projektpartnerin, schob ich in Gedanken hinterher.
    "Manfred?" Entgeistert hob Sam eine Augenbraue. Er hatte schöne blaue Augen, kornblumenblau und sein Kinn war unrasiert. Er sah so ganz anders aus als die Jungs in New York, ganz anders als Tom. Ob er mich vermisste? Also Tom, nicht Sam. Wieso sollte Sam mich auch vermissen? Wir kannten uns ja kaum. Außerdem sahen wir uns jeden Tag. Ich vermisste Tom, oder zumindest vermisste ich unsere gemeinsamen Kinobesuche und das Küssen. Tom konnte furchtbar gut küssen. Zum Abschied hatte er mich ganz fest in seine Arme genommen und seine Lippen auf meinen Mund gepresst.
    "So heißt er, ja." Ich straffte selbstbewusst die Schultern und versuchte seinen amüsierten Blick mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu erwidern.
    Sam nickte erheitert. "Und was sollt ihr jetzt untersuchen, du und… du musst das doch sicher nicht alleine machen, oder?"
    Ich schüttelte den Kopf. "Ich habe einen Projektpartner."
    "Kenne ich diesen Projektpartner?"
    Natürlich kannte er sie. Jeder kannte Ashley.

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