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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Heft dastand, erdachte er eine ungewöhnliche Ausrede. Er brach in Tränen aus und sagte seiner Lehrerin, dass sein Vater vor wenigen Wochen gestorben sei. Er sei nunvöllig aus dem Gleichgewicht geraten und erhoffe sich Verständnis für seine leidvolle Situation.
    Zwei Monate lang wurde er von seiner Lehrerin nicht mehr belästigt. Bis zum nächsten Elternsprechtag. Vater Hofmann, kerngesund und zum ersten Mal dabei, war recht erstaunt, als die Klassenlehrerin erst seine Frau begrüßte und sich dann fragend an ihn wandte: «Und Sie? Sind Sie Frau Hofmanns neuer Lebensgefährte?»
    Wir waren am unteren Etikettrand der zweiten Flasche Wein angelangt. Es wurde höchste Zeit, das Gespräch auf erotische Themen zu lenken. Meiner Erfahrung nach wirkt die Erörterung von erotischen Themen erotisierend auf die Gesprächsbeteiligten.
    Ich wollte gerade loslegen und eine muntere Anekdote aus meinem Geschlechtsleben erzählen, als Daniel auf die Uhr blickte. Teure Uhr. Aber ganz schlechtes Zeichen! Hatte ich ihn etwa gelangweilt? Ohgohttohgohttohgott! War ich zu weit gegangen?
    Hätte ich ihm nichts erzählen sollen von meinem immer wiederkehrenden Albtraum? (Ich gehe an einer Großbaustelle vorbei, und keiner der Bauarbeiter pfeift mir nach.) Hätte ich mein gestörtes Verhältnis zu Ordnung nicht erwähnen sollen? (Ich weiß, dass ich drei Joni-Mitchell-CDs habe, aber ich weiß nicht wo. Ich weiß, dass ich sozialversichert bin, aber ich weiß nicht wo.)
    «Ich muss leider so langsam los. Muss morgen früh raus. Ich fahre zu einem Kongress nach Oldenburg.»
    Wenn das keine Ausrede war, war es sicherlich ein guter Grund.
    «Vielen Dank für den netten Abend», sagte ich und bedeutete gleichzeitig dem Ober, die Rechnung zu bringen. Als kluge Frau muss man wissen, wann man Tatsachen zu akzeptieren hat.
    Daniel bestand darauf zu bezahlen. Eigentlich wollteich das ja tun. Als Wiedergutmachung. Aber so war’s mir auch recht. Ich mag Männer, die bezahlen. Das finde ich männlich. Da bin ich klassisch. Ich weiß, dass ich vor vielen Jahren einmal mit einem sagenhaft gutaussehenden Kerl aus war, der sich vom Kellner Block und Stift bringen ließ, um auszurechnen, wer von uns wie viel zu bezahlen hatte. Bis dahin hatte ich noch überlegt, mit ihm ins Bett zu gehen. Aber wahrscheinlich hätte er sich auch die Taxikosten zu mir nach Hause teilen wollen.
    Daniel und ich standen auf der Straße und warteten auf die Taxis, die Salvatore für uns bestellt hatte. Wir mussten in unterschiedliche Richtungen.
    Was nun? Küssen? Händeschütteln? Auf Wiedersehen. Und das war’s?
    «Ich komme Sonntag wieder. Hast du Lust, am Montagabend zu mir zu kommen?», sagte Daniel.
    Jaaaaaaaaaaaaaaa!
    Jetzt cool bleiben. Ich sagte erst mal nichts.
    «Ich bin ein ganz guter Koch. Und außerdem, das wird dich überzeugen, habe ich sämtliche Miss-Marple-Videos.»
    Juhuuuuu! Wir sind füreinander bestimmt.
    Ich machte einen auf Diva. Lächelte milde. Sagte nichts. Es ist nämlich wichtig, dass man nicht automatisch antwortet, bloß weil man etwas gefragt wird. Das wurde mir klar, als ich Melanie Griffith in dem Film ‹Wie ein Licht in dunkler Nacht› sah.
    Sie ist eine amerikanische Spionin im Haus eines N S-Offiziers . Irgendwann sagt er zu ihr: «Ich weiß, warum Sie hier sind.» Und sie schweigt. Sagt nicht übereifrig was wie «Ich kann Ihnen alles erklären» oder «Die Amis haben mich dazu gezwungen». Sie schweigt. Also redet er weiter: «Ich weiß, dass Hitler Sie geschickt hat, um herauszufinden, ob ich ein treuer Nazi bin.»
    Puh. Da ist sie natürlich mächtig erleichtert, dass sienicht gleich drauflosgequatscht und alles ausgeplaudert hat.
    So mache ich das seither auch. Also, natürlich nicht immer. Eigentlich sogar selten. Meistens rede ich. Aber manchmal eben auch nicht. Ich schwieg. Ich lächelte.
    «Hier ist meine Adresse.» Daniel schrieb seine Adresse auf die Restaurantrechnung. Was mich freute, weil es ein sicheres Zeichen dafür war, dass er mich nicht von der Steuer absetzen wollte.
    «Um acht? Am Montag?»
    Ich war im Siegestaumel. Ich hauchte ihm einen prinzessinnenhaften Kuss auf die Wange und sagte keck: «Bist du eigentlich noch zu haben?»
    Wir hatten das Thema Partnerschaft im Allgemeinen und Ute Koszlowski im Besonderen an diesem Abend wohlweislich ausgespart.
    «Für was?»
    Blödmann. Hatte mir den Wind aus den Segeln genommen.
    «Für was auch immer.»
    «Da fällt mir ein», er nestelte an der Innentasche seines Sakkos

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