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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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verstimmt mich zusätzlich.
    «Der Dennis hat heute Morgen sein Aa ins Töpfchen gemacht!»
    Ich spüre, dass es angezeigt ist, darauf mit Begeisterung zu reagieren. Die Stille zwischen unseren Balkonen hat einen enormen Aufforderungscharakter.
    Aber ich bin nicht begeistert. Und ich bin auch überhaupt nicht in der Stimmung, so zu tun, als ob ich begeistert wäre.
    «Tatsächlich? Und, hast du dem Haufen einen Ehrenplatz im Setzkasten vermacht?»
    «Natürlich nicht.»
    Das Erstaunliche an Marianne ist, dass sie zwar niemals lustig, aber auch niemals ernsthaft gekränkt ist. Nur so kann sie es mit einer Nachbarin wie mir und einem Mann wie Rüdiger aushalten. Ich glaube, sie ist das, was man ein schlichtes, sonniges Gemüt nennt. Sie verzeiht alles. Weil sie die Hälfte der ihr geltenden Beleidigungen gar nicht versteht und für die andere Hälfte Verständnis hat.
    Als sie dahinterkam, dass Rüdiger sie mit einer Frau aus der Spesenbuchhaltung betrog, war sie die Ruhe selbst.
    «Weißt du», sagte sie mir, «Rüdiger ist nicht gerade eine Kanone im Bett. Ich beneide diese Frau nicht besonders. Rüdiger ist ein recht guter Vater, und nachts schläft er, so wie ich,am liebsten mit geschlossenem Fenster. Letztendlich ist es das, worauf es ankommt. Ich kenne ihn besser als diese Spesenschabracke.»
    Ich weiß noch, dass ich sie fast beneidete. Nicht um Rüdiger, natürlich. Aber um ihre Unkompliziertheit. Ich werde niemals unkompliziert sein. So viel ist sicher.
    «Ich muss rein! Tschüss, Cora! Hab einen schönen Abend!»
     
    Ich lernte Marianne Berger-Mohr vor vier Monaten kennen, als sich ihr zweijähriger Sohn Dennis auf meine Schuhe erbrach.
    Ich mag sowieso keine Kinder. Die sind mir zu direkt. Die sagen gemeine Sachen, und man kann sich nicht mal wehren.
    Als meine Cousine ihren Vierzigsten feierte, deutete ihre fünfjährige Tochter Pia fröhlich auf mich und rief:
    «Guckt mal! Die Tante Cora sieht aus wie Morla, die Schildkröte!»
    Alle guckten. Und das Schlimme war: Das Gör hatte auch noch recht. Ich hatte mich zwei Tage vorher von Sascha getrennt und die Nächte mit einer sich leerenden Flasche Malt Whisky im einen und dem Buch ‹Alleinsein als Chance› im anderen Arm verbracht. Wie soll man dann auch aussehen?
    «Pia macht nur Spaß», sagte meine Cousine. «Du siehst hinreißend aus, Cora. Wie das blühende Leben. Ganz ehrlich.»
    «Danke», sagte ich. Ich habe nichts gegen gutgemeinte Lügen.
    Die Geburtstagsfeier habe ich heulend auf dem Klo verbracht. Ich konnte diese mitleidigen Gesichter nicht mehr ertragen.
    Wenn du über dreißig bist und den Leuten erzählst, dass du dich gerade von deinem Freund getrennt hast, dann schauen sie dich an, als hättest du ihnen soeben anvertraut, dass du nur noch wenige Tage zu leben hast.
    «Ach, du wirst auch noch den Richtigen finden», sagen sie dann. Oder: «Auch andere Mütter haben schöne Söhne.» Oder:«Eine Frau wie du bleibt nicht lange alleine.» Aber denken tun sie etwas anderes.
    Nun ja, jedenfalls habe ich also mit Kindern keine guten Erfahrungen gemacht. Und als ich Dennis – ich wollte gerade nochmal schnell zum Gemüsetürken huschen – laut schluchzend auf dem Bürgersteig stehen sah, war mein erster Instinkt, die Straßenseite zu wechseln und so zu tun, als würde ich intensiv meinen Einkaufszettel studieren.
    Ich hatte aber keinen Einkaufszettel. Ich war nämlich gerade mal wieder auf Diät und wollte meinen Obsttag mit einer Kiwi beschließen. Eigentlich mag ich lieber Bananen. Aber Kiwis sind von ihrer Form her unverfänglicher. Ich habe immer den Eindruck, dass mein Gemüsetürke mich anzüglich angrinst, wenn ich eine Banane kaufe. So, als könnte ich mir keinen Vibrator leisten. Vielleicht tue ich dem Mann ja auch unrecht, aber seither meide ich bestimmte Gemüsesorten, unter anderem auch Gurken und gutgebaute Möhren.
    Dennis schluchzte immer lauter, und ich wollte kein Unmensch sein.
    «Wo ist denn deine Mama?», sagte ich mit freundlicher Kindergärtnerinnen-Stimme und tätschelte dem Kind den Kopf.
    Der Junge sagte nichts. Schrie aber noch wesentlich lauter.
    «Wie heißt du denn, mein Kleiner?» Ich hatte keine Ahnung, ob Kinder in dem Alter schon sprechen können.
    Der Junge hörte auf zu schreien und sah mich ängstlich an. Immerhin. Ich fasste Mut.
    «Wo wohnst du denn?», fragte ich und bemühte mich um ein kindgerechtes Lächeln.
    Der Junge sagte nichts. Starrte mich an. Verzog dann das Gesicht und kotzte mir auf die

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