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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Etappe des Entkleidens steht man sonst nämlich nur noch mit Seidenstrümpfen am Leib da. Das sieht nun wirklich total bescheuert aus. Und halterlose Strümpfe gebärden sich, meiner Erfahrung nach, auch haltlos. Entweder sie schlabbern einem plötzlich um die Fußgelenke oder klammern sich derart verbissen an die Oberschenkel, dass sie, in dieser ohnehin problematischen Gegend, die Blutversorgung unterbinden.
     
    18.00   Uhr: Körperpflege
    Duschen (mit Kiwi-Duft-Gel).
    Haarewaschen (mit Orangen-Duft-Shampoo).
    Kur-Packung (mit Cocos-Duft-Conditioner).
    Eincremen (mit Vanille-Duft-Lotion).
     
    18.30   Uhr: Make-up
    Dank meiner leichten Bräune sehe ich nicht so schockgefrostet aus wie sonst. Rouge. Lippenstift. Wimperntusche. Das reicht.
    Ich verliere hier allerdings dennoch wertvolle Minuten, weil ich mich zweimal komplett abschminken muss. Mit Wimperntusche ist das so eine Sache. Meist verklebt sie sich klumpig, sodass die Wimpern aussehen wie die Beine einer arthritischen Vogelspinne.
     
    18.50   Uhr: Sitze im Bademantel und mit Handtuchturban am Küchentisch. Gut, dass mich Daniel so nicht sehen kann. Wie Nofretete, die nur knapp einem blutigen Massaker entkommen ist. Seit ich einmal versucht habe,mir die Zehennägel zu lackieren, ist mein weißer Bademantel übersät mit dunkelroten Flecken.
    Trinke noch ein Schlückchen und bete, dass ich mit meinen Haaren heute keine unliebsame Überraschung erleben werde. Sie sind einfach unberechenbar. Habe die Kurpackung extra zehn Minuten länger einwirken lassen, um sie gefügig zu machen.
     
    19.02   Uhr: Kleid sitzt wie angegossen. Ich brauche dringend einen Mann – nicht nur, damit er mich auszieht. Sondern zunächst, damit er mich anzieht. Zerre mir jedes Mal fast den Nackenmuskel bei dem Versuch, diesen verdammten Reißverschluss zu schließen.
    Habe mich für weiße Spitzenunterwäsche entschieden. Wirkt unverdorben. Sauber. Jungfräulich.
     
    19.15   Uhr: Neiiiiiiiin! Bitte nicht! Nicht heute! Nicht jetzt!
    Habe mir die Haare geföhnt und sehe aus wie Jesus. Matte hängt uninspiriert nach unten. Wo sind meine Locken?
     
    19.23   Uhr: Alles aus. Muss die Verabredung absagen. Nach einer Behandlung mit dem Lockenstab sehe ich jetzt aus wie Maria Magdalena auf Ecstasy.
     
    19.27   Uhr: Muss mich beruhigen und trinke noch ein Gläschen. Jo hatte die rettende Idee, ich solle mir die Haare doch einfach hochstecken. Klasse! Aber womit? Jo schickt Fahrradkurier mit Haarnadeln und faxt mir eine Kurzanleitung für Hochsteckfrisuren.
     
    19.45   Uhr: Ich verlasse das Haus mit schätzungsweise 83   Haarnadeln auf dem Kopf und ungefähr 1,1   Promille im Blut.
     
    ‹Hofmann› stand auf der Klingel. Das fand ich gut. Weil der Doktortitel ja eigentlich zum Namen gehört. Ihn wegzulassen deutet auf ein angenehmes Maß Understatement hin.
    Das ist, wie wenn man Kirchenbänke spendet und dann nicht an jedem zweiten Sitz ein Messingschildchen anbringen lässt mit der Aufschrift: ‹Gestiftet von   …›. Na ja. Egal.
    Ich war angeheitert und unwiderstehlich, als ich das imposante Treppenhaus hochstieg. Altbau. Marmorstufen mit Teppich drauf. Wow. Leider kein Aufzug. Als ich im vierten Stock ankam, war ich aus der Puste und hatte blöderweise ungefähr auf Etage zwei einen Schluckauf bekommen.
    «Hallo», sagte Daniel. Er stand lässig an den Türrahmen gelehnt. Dunkelblaue Jeans und weißes T-Shirt . Ich fragte mich, wie viel Stunden Vorbereitung es ihn wohl gekostet hatte, so perfekt unvorbereitet auszusehen.
    Ich lächelte verführerisch und sagte: «Hallhiiiiiiiks.»
    Ach, das war mir peinlich. Der Mann musste ja denken, dass ich schon mindestens vier Gläser Sekt getrunkenhatte. Wenn ich Schluckauf habe, dann richtig. Das klingt dann so, als würde man in unregelmäßigen, aber kurzen Abständen auf ein Meerschweinchen treten.
    Wir verbrachten also die erste Viertelstunde unseres Beisammenseins damit, diverse Anti-Schluckauf-Techniken auszuprobieren und wieder zu verwerfen. Ein Glas Wasser trinken. Luft anhalten. Magische Formeln aufsagen. Alles umsonst.
    Daniel schien sich köstlich zu amüsieren. Ich war gerade dabei, rückwärts das große Einmaleins aufzusagen, als er plötzlich sagte: «Ich muss übrigens gleich weg. Ein medizinischer Notfall. Ich hoffe, du bist nicht böse.»
    «Was?» Ich erstarrte innerlich. Fand aber innerhalb von Sekunden wenigstens zu äußerer Fassung zurück.
    «Das macht doch nichts. Es kommt mir sogar ganz gelegen. Ich habe

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