Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
Vom Netzwerk:
Schuhe.
    Ich wusste noch gar nicht, was ich nun denken sollte, als ich eine aufgeregte Stimme hinter mir hörte.
    «Deniiiis! Was machst du denn da? Deniiiis!»
    Daraufhin übergab sich Deniiiis gleich noch einmal. In meine Handtasche.
    Eine Frau, etwa so alt wie ich, stürzte auf uns zu. Sie war sehr dünn, abgesehen von einem unglaublich ausladenden Becken. Das sah recht seltsam aus. Wie eine aufrecht stehende Python, die gerade ein Stopp-Schild verdaut. Was für ein Becken! Dennis’ Geburt konnte keine schwere gewesen sein. Seine Erziehung schien da mehr Probleme zu bereiten.
    «Deniiis! Hast du etwa gespuckt? Ach je, ach je! Haben Sie was abbekommen? Ach je, das tut mir leid! Das macht er immer, wenn er sich aufregt. Deniiis, böser Junge! Ach je. Warten Sie, ich habe ein Taschentuch.»
    Sie förderte einen Lappen zutage, bei dem ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen konnte, dass man damit irgendetwas sauber machen könnte. Ich wich erschrocken zurück.
    «Ach, lassen Sie nur», sagte ich eilig. «Ich wohne gleich hier. Wahrscheinlich geht es mit klarem Wasser ganz leicht ab.»
    «Ach, Sie wohnen auch hier? Wir sind erst vor ein paar Wochen hergezogen. Ach, es ist mir so peinlich. Ach bitte, kommen Sie doch schnell mit rein. Lassen Sie mich das auswaschen. Bitte, bitte, kommen Sie.»
    Sie schob mich resolut über die Straße und klemmte sich gleichzeitig ihren jetzt wieder schreienden Sohn unter den Arm. Ich konnte mich nicht wehren und befand mich wenig später in einer ganz entsetzlich ehrlich eingerichteten Wohnung.
    Ich sage nur: Schabracken mit Goldkante. Couchgarnitur mit Schonbezügen. Setzkasten mit Bleibuchstaben. Aquarium mit Guppys. Aber das Schlimmste an der Wohnung war der Mann, der vor dem Fernseher saß.
    «Rüdiger! Schau mal, ich habe Besuch mitgebracht!»
    Rüdiger rührte sich nicht. Ich meine, wenn einer schon Rüdiger heißt, dann ist das fast so schlimm, wie wenn einer Knut heißt. Rüdiger schaute mich desinteressiert an und machte den Fernseher lauter. Meine Güte! So ein verklemmtes Gesicht hatte ich ja in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Der Mann sah aus wie ein Arsch, der sich einen Furz verkneift.
    «Ach, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt! Ich heiße Berger-Mohr. Marianne Berger-Mohr», sagte Marianne Berger-Mohr.
    «Ich heiße Hübsch. Cora Hübsch», sagte ich.
    «Ach, wie hübsch!»
    Ha. Ha. Ha. Marianne freute sich über den gelungenen Scherz. Rüdiger sagte gar nichts, er machte den Fernseher noch etwas lauter und wandte sich an seine Frau:
    «Wie spät ist es?»
    Marianne setzte ihren Sohn auf dem Boden ab und sah auf ihre Armbanduhr.
    «Viertel nach sechs.»
    Rüdiger sagte: «Das habe ich mir gedacht.» Dann stand er auf und machte die Wohnzimmertür zu. Ich fühlte mich zunehmend unwohl.
    Eine Stunde habe ich an diesem Abend in Mariannes winziger Küche verbracht. Während sie meine Schuhe und meine Handtasche reinigte, zwang sie mich, mehrere Gläser Eckes-Kirschlikör zu trinken und mir ihre irrsinnig langweilige Lebensgeschichte anzuhören, die ich jetzt nicht wiedergeben möchte. Erst, als sie sagte, sie sei Informatikerin, wurde ich hellhörig.
    «Wie interessant.»
    «Ja, findest du?» . (Wir duzten uns seit dem zweiten Glas Eckes.) «Rüdiger ist auch Informatiker. Wir haben uns bei einem Weiterbildungskurs für Systemanalytiker kennengelernt. Ja, was soll ich sagen. Ein Jahr später wurde unser Dennis geboren.»
    Das fand ich nun irgendwie ganz lustig. Zwei Informatiker. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass die was über Kopulation wissen.
    «Das ist ja nett», sagte ich. «Dann ist euer Sohn ja ein richtiger Gameboy.»
    «Wieso?»
    «Ach, vergiss es.»
    Wie schon gesagt, ich schätze es nicht, wenn jemand meine Witze nicht versteht. Dennoch hielt ich es für besser, es mir mit Marianne Berger-Mohr nicht zu verscherzen. Ich habe nämlich ein recht angespanntes Verhältnis zu meinem Computer. Und mit meinem Drucker stehe ich regelrecht auf Kriegsfuß. Es kann nicht schaden, dachte ich mir, im näheren Bekanntenkreis eine Computerexpertin zu haben.
    Seither kommt Marianne ungefähr einmal in der Woche vorbei, um meinen Computer zu warten und mir das Neueste aus ihrem beklemmenden Liebesleben zu berichten. Das freundschaftliche Verhältnis zu Marianne gestattet mir, hin und wieder mein Singledasein in ganz anderem Licht zu betrachten. Verglichen mit dem Sex, den Marianne mit Rüdiger hat, ist jede Selbstbefriedigung ein rauschhaftes

Weitere Kostenlose Bücher