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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Du bist immer so unsachlich.»
    «Eben. Wir passen nicht zusammen. Ich bin immer unsachlich. Und ich bin es gerne. Warum sollte ich sachlich sein? Ich bin viel lieber persönlich.»
    «Wie du meinst.»
    Und das war’s dann. Sascha ging. Und ich war durch eigenes Verschulden wieder Single. Ich wusste, dass ich das Richtige getan hatte. Jo war stolz auf mich. Aber ich fühlte mich sauschlecht.
    Ich meine, es ist wirklich nicht so, dass ich kompromisslos bin. Ich halte mich jedenfalls nicht dafür. Ich habe bloß ein paar Angewohnheiten, von denen ich ungern ablassen möchte. Ich esse Nutella direkt aus dem Glas. Ich reinige meine Haarbürste grundsätzlich nicht. Ich schlafe bei offenem Fenster und drehe die Heizung hoch. Ich spreche nicht vor neun Uhr morgens. Ichhöre nicht auf zu sprechen vor zwei Uhr nachts. Ich will sonntagnachmittags depressiv sein. Ich schaue keine französischen Filme an und lese grundsätzlich niemals die ‹Zeit›. Ich kaufe immer zu viel ein und verpacke die Reste in zweifelhafte Plastikschüsseln. Ich weiß noch, wie meine Mutter zu Besuch war. Mitten in der Nacht hatte sie Hunger bekommen, tapste zum Kühlschrank und weckte mich mit einem schrillen Schrei, weil sie fahrlässig die Schüssel mit den Überbleibseln des ‹Hühnchen chinoise› geöffnet hatte, das ich drei Wochen zuvor für Big Jim gezaubert hatte.
    Ich habe ein wunderschönes altes Klavier, auf dem ich mehrmals am Tag immer dasselbe Stück spiele. Ich brauche das zur Beruhigung. Ich lege Wert darauf, meine Schmutzwäsche auf dem Badezimmerboden und nicht im dafür vorgesehenen Schmutzwäschekorb aufzubewahren. Im Schmutzwäschekorb haben mein Nähzeug, die Bedienungsanleitungen für Videorecorder und Fernseher, meine alte Zitronenpresse und die etwa dreiundzwanzig alleinstehenden Socken, die auf unerklärliche Weise ihre Partner verloren haben, ein treffliches Plätzchen gefunden. Ich gehöre zu der Generation, die ihre Kühlschranktür als Pinnwand benutzt. Vergilbte, mit Spaghettisoßenspritzern gesprenkelte Fotos meiner Freunde hängen daran, Zeitungsausschnitte und Cartoons. Mein Lieblingscartoon, der mich seit Jahren begleitet und schon diverse Kühlschranktüren geziert hat, hängt immer in der Mitte: Eine Frau hält ein kleines Männchen an der Hand, und eine zweite Frau sagt zu ihr: «Stillen Sie noch ab, oder ist das Ihr Mann?» Finde ich total lustig. Immer wenn mich in Frage kommende Männer besuchen, hänge ich allerdings eine Schlagzeile darüber, die ich vor Jahren mal aus der ‹Abendzeitung› ausgeschnitten habe: ‹Bonn in Sorge   – Kohl denkt nach›. Zum Frühstück esse ich gerne kalte Bockwürstchen aus dem Glas, ich würde mich niemals von meiner riesigen Leuchtbanane trennen, die auf dem Küchenschrank steht, und ein Leben ohne meine Weckuhr, die mit der Stereoanlage verbunden ist, diemich jeden Morgen ausgesprochen laut mit
«Throughout the Years»
von Kurtis Blow weckt, käme für mich nicht in Frage.
    Ich bin nicht schwierig. Wenn man mich so sein lässt, wie ich sein will, ist meine Anwesenheit keine Zumutung, sondern durchaus eine Bereicherung.

19   :   02
    Grundgütiger! Es klingelt an der Tür! Und ich trage meine rosa Puschen mit den Bommeln!
    «Hallo?», frage ich resolut in die Sprechanlage, während ich gleichzeitig die Puschen mit einem gezielten Tritt unter die Garderobe kicke, mir den obersten Knopf meines Hemdes aufknöpfe, meinen Rock ein wenig höher ziehe und die Haare hinter die Ohren streiche. Eine rührende Geste angesichts der mir wohlbekannten Tatsache, dass sie da ohnehin nicht lange verweilen werden.
    «Hallo? Wer ist da?» Ich höre Stille. Höre Rauschen. Dann höre ich Schritte im Treppenhaus. Ohhh! Er ist schon drin! Irgendein Depp hat mal wieder vergessen, die Tür unten zu schließen. Werde mich bei Frau Zappka beschweren. Immer, wenn ich die Haustür offen lasse, taucht sie urplötzlich auf, um mich zu maßregeln, als täte sie den ganzen Tag nichts anderes, als durch ihren Spion zu glotzen, um mich bei einem Verstoß gegen die Hausordnung zu ertappen.
    Es klingelt schon wieder! Herrje! Ich höre, wie sich jemand vor meiner Tür räuspert. Herrje! Ein Mann!
    Ich linse vorsichtig durch den Spion. Es ist eigenartig, aber es ist eine Tatsache, dass ich und alle Frauen, die ich kenne, sich nicht vorstellen können, dass man durch Spione wirklich nur in eine Richtung gucken kann. Da gebärden sie sich wie Eingeborene, die zumersten Mal einen Blick durch ein Fernglas

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