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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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verzichtet.»
    «So weit würde ich nicht gehen. Wir sehen uns übermorgen wieder. Daniel will mich mit auf eine Sommerparty mitnehmen. Das klingt doch gut, oder?»
    «Am Mittwoch? Ich dachte, da gehen wir ins ‹Massimo›?»
    «Oh, das habe ich ganz vergessen. Soll ich ihm absagen?»
    «Das wäre vielleicht zu viel des Guten. Erst kriegt der arme Mann keinen Sex und dann noch nicht mal eine Verabredung. Da könnte er bockig werden. Du darfst den Bogen nicht überspannen. Er soll sich als Eroberer fühlen, aber nicht als Depp. Komischerweise behagt den meisten Männern diese Rolle nicht, obwohl viele dafür wie geschaffen sind.»
    «Du hast sicher recht. Bist du auch nicht böse?»
    «Quatsch.»
    «Was ist mit heute Abend? Hast du Zeit? Ich hab keine Ahnung, was ich am Mittwoch anziehen soll.»
    «Komm vorbei, ich leih dir was. Wie hat das eigentlich mit der Hochsteckfrisur geklappt?»
    «Als ich nach Hause kam, sah ich aus wie eine sturmgepeitschte Trauerweide.»
    «Wir müssen über eine andere Frisur nachdenken.»
    «Ich habe keine Frisur. Ich habe einfach nur Haare.»
    «Okay, bis später. Soll ich was kochen?»
    «Ach. Ein Salat reicht, denke ich.»
    «Verstehe.»

18   :   58
    Bin so verzweifelt, dass ich gleich ‹Heute› gucken werde. Hoffentlich gibt’s heute eine ordentliche Katastrophe. Es mag ekelig klingen, es mag sogar ekelig sein – aber in solchen Momenten baut mich das Unglück anderer Leute irgendwie auf. Angesichts einer saftigen Dürre, einer fetten Hungersnot kommt einem das eigene Leid nicht mehr ganz so weltbewegend vor. Man darf sich selbst einfach nicht so wichtig nehmen.
    Werde mich ab sofort nicht mehr so wichtig nehmen. Frage mich allerdings, was ich denn sonst wichtig nehmen soll. Ich sollte einem gemeinnützigen Verein beitreten. Oder zumindest mal was fürs ‹Rote Kreuz› spenden. Oder so.
    Nachrichten sind langweilig. Vielleicht hätte ich bei Sascha bleiben sollen? Vielleicht sollte ich ihn anrufen?
    Ich glaube, er liebt mich immer noch. Hoffe ich zumindest. Ich mag es, wenn Leute mich lieben, die ich nicht liebe. Das ist gut fürs Selbstbewusstsein. Ich kann mich noch genau an den Abend erinnern, als ich mich von ihm getrennt habe. Wochenlang hatte ich das Unvermeidliche vor mir hergeschoben. Ich trenne mich nicht gerne. Und seit ich über dreißig bin, trenne ich mich sogar noch viel ungerner. Aber es ging einfach nicht mehr, und Jo hatte mich gezwungen, es ihm endlich zu sagen.
    «Du bestellst ihn um acht zu dir. Um kurz nach elf rufe ich dich an. Und wenn die Sache dann nicht endgültig erledigt ist, werde ich dafür sorgen, dass ein Kinderfoto von dir auf der Titelseite vom ‹Express› erscheint.»
    Ich sah schlimm aus, als Kind.
     
    «Wir passen einfach nicht zusammen.»
    Sascha guckte traurig. Es zerbrach mir das Herz.
    «Wieso denn nicht?»
    «Sascha, das musst du doch auch sehen! Das Erste, was ich tue, wenn ich in dein Auto steige, ist, den Radiosender zu verändern. Ich hasse ‹Deutschlandfunk›! Und ich bin eine Schlampe. Es ist nicht so, als würde ich saure Milch in meinem Kaffee mögen, aber noch weniger mag ich mit jemandem zusammen sein, der mir jeden Morgen deswegen Vorhaltungen macht.
    Ich kann es auch nicht länger ertragen, dass du mein Altpapier zum Container bringst, meine Schmutzwäsche in den Wäschekorb legst (legst! Nicht etwa stopfst!), meine Videokassetten alphabetisch sortierst oder mitten in der Nacht aufstehst, um den guten Rotwein zuzukorken, den ich offen stehenlassen habe. So geht das nicht weiter!»
    «Cora, ich mag dich genau so, wie du bist. Mich stört das alles nicht. Ehrlich.»
    «Mich aber!»
    «Cora, jetzt sei nicht kindisch. Nur weil zwei Leute gegensätzlich sind, heißt das doch nicht, dass sie nicht zusammenpassen.» Sascha sprach mit der typischen «Hör-gut-zu-Kleines-ich-erklär-dir-jetzt-mal-die-Welt»-Stimme.
    «Habe ich dir jemals von meinen Großeltern erzählt?»
    Ich schüttelte unwillig den Kopf.
    «Meine Großeltern waren so unterschiedlich, unterschiedlicher können zwei Menschen nicht sein. Mein Opa hatte mit achtzig noch ein Geschichtsstudium begonnen und wurde nicht müde, seiner Frau davon vorzuschwärmen und zu versuchen,sie dafür zu interessieren. Irgendwann sagte er zu ihr: ‹Magda, komm doch heute Abend mit zur Vorlesung. Es wird sicher sehr interessant. Es geht um 1848.› Und meine Großmutter strich ihm über den Kopf und sagte: ‹Ach Hans, lieber nicht. Das ist mir zu spät.›»
    Ich lächelte

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