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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Rüdiger hat sonst doch auch nie mit mir geredet. Das war mir sehr angenehm.
    «Sie ist schon wieder schwanger.»
    «Ich hole dann mal das Klappbett vom Speicher.» Ein Versuch, das Thema zu wechseln.
    «Wir brauchen dein Klappbett nicht. War nur ein Vorwand. Marianne versteht mich nicht. Ich musste einfach bloß mit jemandem reden.»
    Warum mit mir? Warum ich? Ich will das nicht! Ich verstehe dich doch auch nicht, Rüdiger, du blöder Trottel!
    «Es tut mir leid, das zu hören.»
    Warum bin ich immer so höflich? Warum sage ich nicht, was ich denke? Aus Höflichkeit habe ich mich schon so verflucht oft in die unangenehmsten Situationen gebracht. Aber ich kann es einfach nicht lassen.
    Ich weiß noch, wie mich mein Kollege Ludger Kohlberg fragte, ob ich nicht Lust hätte, nach der Arbeit noch mit ihm was trinken zu gehen. Eigentlich hätte ich ihm antworten müssen, dass ich schon allein die Frage für eine Unverschämtheit hielt. Manche Männer wissen sich einfach nicht einzuordnen. Die sind langweilig, humorlos, unattraktiv und verheiratet und fragen mich, ob ich mit ihnen nach der Arbeit noch was trinken gehen will. Da macht man sich als Frau schon Gedanken, ob man nicht die falschen Signale aussendet.
    Herrn Kohlberg sagte ich das alles nicht. Ich sagte ihm, im Prinzip liebend gerne, aber es gehe leider nicht, da ich, wie er ja wisse, jeden Tag mit dem Fahrrad käme, was ausgerechnet heute leider einen Platten habe. Ich sei also sozusagen bewegungsunfähig. Aber ein andermal gerne.
    Und was hatte ich davon? Von dieser wohlmeinenden Lüge, die sowohl meine Feigheit als auch sein Ego bediente? Ludger Kohlberg bot mir an, mich samt meinem platten Fahrrad in sein Auto zu laden, zu einem Drink auszufahren und dann nach Hause zu bringen. Was bedeutete, dass ich kurz vor Dienstschluss runterschlich und die Luft aus meinem Rad ließ, um nicht als Lügnerin dazustehen. Nein, Höflichkeit führt zu nichts. Ich muss daran arbeiten.
    Rüdiger presst seine nichtvorhandenen Lippen zusammen. Sein Mund sieht gar nicht aus wie ein Mund, fällt mir gerade auf, eher wie eine sich plötzlich auftuende Gesichtsspalte.
    Jetzt klingelt es schon wieder!
    «Erwartest du Besuch?»
    «Ja, äh, nein, nicht wirklich.» Mit Herzklopfen gehe ich zur Tür. Wenn das jetzt Daniel ist   …
    Es ist nicht Daniel.
    «Ist dieses Arschloch von Ehemann bei dir!?» Marianne wartet die Antwort erst gar nicht ab, sondern stürmt sofort in die Küche. Ich erwäge, die Wohnung zu verlassen. Bleibe dann aber doch. Aus Trotz – ich bin schließlich hier zu Hause – und natürlich aus Neugierde. Ich schließe nicht aus, dass michdas unmittelbare Erleben einer Ehekrise mit meinem erbärmlichen Bin-dreiunddreißig-und-warte-auf-seinen-Anruf-Zustand versöhnen könnte.
    Interessiert, aber zurückhaltend schlendere ich hinter Marianne her. Drohend hat sie sich vor Rüdiger aufgebaut, sodass ihr ausladendes Becken sein blödes Gesicht ganz verdeckt.
    «Rat mal, was er zu mir gesagt hat!?», brüllt sie und dreht sich halb in meine Richtung.
    «Keine Ahnung.» Wie kriege ich dieses Paar nur wieder aus meiner Wohnung.
    «Rat mal, was mein beschissener Ehemann gesagt hat, als er eben erfuhr, dass ich wieder schwanger bin!?» Marianne kommt jetzt drohend auf mich zu. Himmel nochmal, die Situation wird belastend für mich. Ohne auf meine Antwort zu warten, schreit sie: «Er hat gesagt, ich zitiere wörtlich, hör gut zu, ich zitiere wörtlich, Cora, lass dir das mal auf der Zunge zergehen: ‹Was? Schon wieder? Wie konnte denn das passieren?›»
    Ich finde diese Frage einleuchtend und berechtigt, da mich Marianne über ihr dürftiges Sexualleben aufgeklärt hatte. Halte es aber für besser, das nicht zu kommunizieren.
    «Der freut sich gar nicht!», schreit Marianne und bricht dann in Tränen aus.
    Ich beeile mich, ihr ein Tuch von meiner Küchenrolle abzureißen, froh, etwas Sinnvolles tun zu können, und wende mich dann an Rüdiger.
    «Ja, freust du dich denn gar nicht?» Ich versuche, so zu klingen wie meine letzte Therapeutin.
    «Doch, doch. Ich freu mich ja», grunzt Rüdiger und verdreht seine Augen gen Decke.
    «Rüdiger hat einfach Probleme, seine Emotionen zu zeigen und zu artikulieren», sage ich zu Marianne.
    «Pfff. Das kann man wohl sagen. Weißt du, was er gesagt hat!? Rat mal!»
    Bin ich hier bei Jeopardy oder was?
    «Er hat gesagt, dass er sich zwei Dinge in seinem Lebenwesentlich ergreifender vorgestellt habe. Die Geburt seines Sohnes und das Kaufen

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