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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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werfen. Ich zucke also erschrocken zurück, als ich mitten in ein mürrisches Gesicht blicke. Widerwillig öffne ich die Tür.
    «Hallo Rüdiger. Was gibt’s?»
    «Was’n mit dir los?» Rüdiger glotzt mich an, als würde ich eine Gasmaske tragen.
    «Was soll los sein?»
    «Hast du eins auf die Nase bekommen, oder was?»
    Erschrocken taste ich mein Gesicht ab. Wie blöd von mir. Habe vergessen, das ‹Nivea-Anti-Mitesser-Pflaster› von meiner Nase zu entfernen. Jetzt ist es natürlich steinhart geworden. Werde es mit lauwarmem Wasser ablösen müssen.
    «Gehst du in die Küche vor? Ich verschwinde mal kurz im Bad.»
    Während ich versuche, meine Nase von dem festgetrockneten Pflaster zu befreien, höre ich, wie Rüdiger in der Küche rumort.
    Was will der Kerl bloß hier? Er war erst einmal bei mir, als ich mich verpflichtet gefühlt hatte, ihn und Marianne zu meinem Geburtstag einzuladen. Damals hatte er sich abfällig über meine IKE A-Küche geäußert und über meinen Umgang. Bloß weil er der Einzige war, der einen, allerdings schlecht sitzenden, Anzug getragen und Big Jim ihn zu fortgeschrittener Stunde zu einem Schwanzvergleich aufgefordert hatte.
    «Nimm dir ein Glas Wein! Steht im Kühlschrank!»
    Rüdiger grunzt. Klingt zufrieden.
    «Marianne fragt, ob wir dein Klappbett für heute Nacht ausleihen dürfen! Ihre Schwester ist eben überraschend zu Besuch gekommen!»
    Autsch! Das Pflaster hat sich wie eine Klette an meiner Nase festgebissen.
    «Klar! Das Ding steht auf dem Speicher. Hoffe ich zumindest! Bin gleich so weit!»
    «Lass dir Zeit!»
    Uuuh. Schmerzen! Ich habe zwar keine Mitesser, aber alsaufgeschlossene Frau probiere ich dennoch alle Neuerungen des Kosmetikmarktes aus. Ich halte mich gerne über längere Zeiträume in Parfümerien auf. Zu meinen favorisierten Freizeitbeschäftigungen gehört es, mich von Douglas-Verkäuferinnen demütigen zu lassen. Sehen immer so aus, als hätten sie am Abend eine Einladung zur Oscar-Verleihung. Ich frage mich, wann Douglas-Verkäuferinnen aufstehen müssen, damit sie genug Zeit haben, sich diese perfekte Maske aufs Gesicht zu schminken. Wahrscheinlich kurz nach Mitternacht.
    «Soll ich dir auch einen Wein einschenken!?»
    «Ja bitte! Ich komme gleich!»
    Bei Douglas Make-up zu kaufen ist, als würde man in der Wäscheabteilung von Karstadt von Cindy Crawford bedient. Entmutigend. Entwürdigend. Entsetzlich. Und teuer. Neulich hatte mir eine dieser sorgfältig grundierten, alterslosen Kosmetik-Soldatinnen, die stets ihre Lippen mit einem dunklen Konturstift umrahmen, eine Pflegeserie «Für die reife Haut» angeboten.
    «Schauen Sie doch bitte mal in diesen Vergrößerungsspiegel», sagte sie zuckersüß.
    Ich will an dieser Stelle eine Warnung aussprechen: Tut es nicht!!! Freundinnen, die ihr über dreißig seid und glaubt, eure Haut sei noch nicht reif. Schaut niemals in einen Vergrößerungsspiegel.
    N-i-e-m-a-l-s!
    Da tun sich Abgründe auf.
    Ich wankte mit zwei schweineteuren winzigen Tiegelchen mit Zellextrakten nach Hause und hatte dort erst mal eine halbe Stunde lang damit zu tun, die hartnäckigen Klebefolien mit der Aufschrift ‹Réparation› zu entfernen. Muss ja nicht jeder, der bei mir aufs Klo geht, gleich Bescheid wissen über den katastrophalen Zustand meiner uralten Epidermis. Ich brauche kein Mitleid.
    «So, das wäre geschafft.» Mit rotglänzender, schmerzender Nase betrete ich meine IKE A-Küche , die durch die Anwesenheitvon Rüdiger Mohr verschandelt wird. Grinsend und breitbeinig sitzt er auf meinem Küchenstuhl.
    Mannomann, jetzt habe ich diesen Typen an der Backe. Hoffentlich hat er nicht vor, lange zu bleiben. Habe Wichtigeres zu tun, als mich mit dem unsympathischen Mann meiner Nachbarin zu langweilen. Ich warte schließlich auf einen Anruf.
    Ein Gedanke, der mich sofort sehr unglücklich stimmt. Es ist tatsächlich schon kurz nach sieben!
    Rüdiger nimmt einen großen Schluck Wein, als müsse er sich Mut antrinken.
    «Wie geht’s Marianne?», frage ich blöde.
    «Marianne versteht mich nicht.» Rüdiger schaut erst betroffen in sein Weinglas, dann schaut er betroffen in meinen Ausschnitt, der, wie mir siedend heiß einfällt, zu gewagt ist für den unerwarteten und unerwünschten Gast.
    «Eh? Wie? Wie meinst du das?» Ich versuche, auch betroffen zu gucken.
    «Mich versteht eigentlich immer sowieso keiner.»
    Grundgütiger! Auch das noch! Die langweiligsten Leute, die ich kenne, haben eine Beziehungskrise. Verschont mich!

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