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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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dieser ersten Attacke von einer vorwitzigen Haarnadel abgewehrt wurde. Wir mussten leider lachen, was mich etwas durcheinanderbrachte. Humor und Erotik vertragen sich nicht besonders gut, wenn man sich noch nicht kennt. Das erste Mal ist eine ernste, schwierige Angelegenheit.
    Geht es eigentlich anderen auch so, dass sie beim ersten Kuss nur darüber nachdenken, was man sagen soll, wenn der Kuss vorbei ist? Wahrscheinlich sollte man gar nichts sagen und sich einfach versonnen in dieAugen schauen. Das ist aber nicht meine Art. Ich fühle mich immer geradezu genötigt, die unangenehme Gesprächspause nach dem ersten Intimkontakt mit sinnfreier Konversation zu füllen. Ich sage dann so Sachen wie: «Kann ich noch ein Glas Wein haben?» oder «Kann ich noch eine Zigarette haben?» oder, früher, «Kann ich noch einen Joint haben?» Ich bin sicher, dass sich dadurch über viele Jahre meine ausgeprägten Suchtstrukturen noch verfestigt haben.
    «Kann ich noch ein Glas Wein haben?», fragte ich also, als er fertig war.
    «Nein», sagte er. Und küsste mich nochmal. Das gefiel mir, wobei es das Problem natürlich nicht löste, sondern nur aufschob.
    Ich glaube, es war, als Miss Marple den Toten im Pferdestall entdeckte und Daniel aufstand, um die Vorhänge zu schließen. Jetzt hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit zu bemerken, dass irgendwas anders war als sonst.
     
    «Und wie war’s?», fragte Jo, als sie mich am nächsten Morgen anrief.
    «Wie war was?»
    «Wie, wie war was? Jetzt tu doch nicht so. Habt ihr euch geküsst? Wart ihr im Bett? Wie ist er gebaut? Nun erzähl schon, du bist ja sonst auch nicht gerade verschlossen.»
    «Eigentlich war gar nicht viel.»
    «Oh.» Jo schwieg betroffen.
    «Also, geküsst haben wir uns schon.»
    «Nur geküsst? Sag bloß, Daniel ist einer von den Typen, die abends auf Sex verzichten, wenn sie morgens früh rausmüssen. Das erinnert mich an Olli. Weißt du noch?»
    «Welcher Olli?»
    «Der Blonde aus dem Reisebüro. Du weißt schon. Dersich weigerte, mit mir im Kino zu knutschen, weil er ja schließlich Geld dafür bezahlt hatte, den Film zu sehen. Lass bloß die Finger von solchen Männern. Die sind tendenziell freudlos.»
    «Nein, so war es ja auch gar nicht. Ich war’s. Ich wollte plötzlich nicht mehr.»
    «Du wolltest nicht mehr? Hatte er Mundgeruch oder was? Wobei dich das bei diesem Versicherungsfuzzi, wie hieß der nochmal, ach ja, Alex, ja auch nicht abgehalten hat. Weißt du noch, wie du ihm ein Fisherman’s Friend geradezu aufgezwungen hast, bloß um mit ihm ohne Geruchsbelästigung ins Bett gehen zu können?»
    «Also, diesmal war das anders. Und das mit Alex war ja auch nichts Ernstes. Ach, ich weiß auch nicht. Ich hatte bloß auf einmal das Gefühl, nun ja, ich weiß auch nicht, wie ich’s beschreiben soll. Es war mir zu wichtig. Verstehst du, was ich meine? Dieser Mann gefällt mir gut, und ich dachte, es sei mal was anderes, es nicht bei der ersten Gelegenheit zu tun.»
    «Nun ja, es ist zumindest originell. So, wie wenn man heiratet und nicht schwanger ist. Cora?»
    «Mmmh?»
    «Ich glaube, du bist wirklich verliebt.»
    «Mmmh. Ich wollte einfach nicht, dass alles, was passieren kann, passiert. Außerdem hat deine Mutter doch auch immer gesagt: Willst du was gelten, mach dich selten. Das habe ich getan. Ich finde mich ziemlich heldenhaft.»
    «Und wie hat er reagiert?»
    «Überrascht.»
    «Kann ich mir denken. Ist der Kerl wahrscheinlich nicht gewohnt. Wie bist du denn aus der Nummer rausgekommen?»
    «Nun ja. Ich hatte doch mein Kleid an   …»
    «Das cremefarbene?»
    «Genau. So gegen Mitternacht bat ich ihn, den Reißverschluss wieder zuzumachen.»
    «Also so weit war er immerhin schon gekommen.»
    «Ich sagte, dass ich heute früh raus und viel arbeiten müsse.»
    «Ich lach mich kaputt. Das hat er dir geglaubt? Klasse! Das nenne ich Emanzipation. So ein dämliches Argument hört man sonst nur von Männern.»
    «Ich sage dir, Jo, als ich auf der Straße stand, war ich absolut euphorisch. Kein Sex kann so gut sein, wie keinen Sex zu haben. Ich habe alles noch vor mir. Ich habe meine Hormone besiegt. Und so ganz nebenbei bin ich dadurch wahrscheinlich noch in seiner Achtung gestiegen. Was will eine Frau mehr?»
    «Wahrscheinlich hast du recht. Glückwunsch. Ist das nicht absurd? Du verschaffst dir Respekt dadurch, dass du ihm das, was er will, nicht gibst. Wahrscheinlich kann eine Beziehung nur auf Dauer funktionieren, wenn man völlig auf Sex

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