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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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der Eheringe. Das sei für ihn gewesen, als habe er sich beim Bäcker ’ne Nussecke geholt!»
    Zum Glück muss ich nur fast lachen.
    «Das sagt die Richtige!», meldet sich jetzt Rüdiger zu Wort. Er springt auf und rennt hektisch auf und ab. «Weißt du noch, was du gesagt hast, als Dennis gerade geboren war! Ich hatte extra einen wichtigen Termin verschoben, um die Nabelschnur durchzuschneiden! Weißt du noch, was du gesagt hast, als ich meinen neugeborenen, erstgeborenen, noch ganz schleimigen Sohn auf den Arm nahm!?» Rüdiger ist jetzt krebsrot angelaufen, was ihm gar nicht gut zu Gesicht steht.
    «Ich hab doch nur an dich gedacht», jammert Marianne.
    «Du hast gesagt: Pass mit deinem Hemd auf. Pass mit deinem Hemd auf! Das muss man sich mal vorstellen! Nennst du das etwa emotional!?»
    Jetzt verfärbt sich Marianne bedrohlich.
    «Du willst Emotionen!? Da hast du deine Emotionen!»
    Ich besitze ja nicht viel kostbares Porzellan, aber Marianne greift zielsicher nach der Blumenvase, die meine Mutter mir mal von einer Chinareise mitgebracht hatte. Mit enormer Wucht schleudert sie das kostbare Gefäß auf den Küchenboden.
    Ich sehe tausend wertvolle Scherben, ich sehe Mariannes Gesicht, leichenblass, ich sehe Rüdigers Gesicht, noch leichenblasser, und ich höre die Türglocke läuten.

19   :   18
    Die Bilanz der letzten halben Stunde kann man nur als katastrophal bezeichnen. Ich habe keine einzige kostbare Vase mehr, dafür zahle ich jetzt Rundfunkgebühren.
    Der Mann an der Tür hatte mir einen Ausweis unter die Nase gehalten und irgendwas von öffentlich-rechtlichem Rundfunk gesagt und dass ich sicherlich bloß vergessen hätte, meine gebührenpflichtigen Geräte anzumelden. Trotz der angespanntenSituation, dem wildgewordenen Ehepaar, das in diesem Moment meine Küche zerlegte, reagierte ich geistesgegenwärtig.
    «Ich habe gar nichts vergessen. Ich habe keine gebührenpflichtigen Geräte. Ich besitze nicht mal einen Radiowecker.» Ich schaute dem Mann fest in die Augen. Ha! Ich war auf Krawall gebürstet. Mit mir nicht.
    «Und was ist das da?»
    «Was ist was wo?»
    Der Rächer des öffentlichen Rundfunks deutete mit überheblicher Geste über meine Schulter hinweg in Richtung Wohnzimmer. Die Tür stand leider offen und gab den Blick frei auf meinen neuen Sony-Großbildfernseher, in dem gerade der ZD F-Nachrichtensprecher das Wetter für morgen verkündete. «Das Hoch Kuno verlagert sich mit seinen westlichen Ausläufern bis in den Norden Deutschlands.»
    «Äh.»
    «Bitte, unterschreiben Sie hier. Wir werden die Gebühren rückwirkend für zwei Jahre erheben. Ich nehme nicht an, dass Sie das Gerät erst seit gestern haben?»
    Ich schüttelte stumm und beschämt den Kopf. Fühlte mich wehrlos, ausgeliefert einer männlichen, von Männern bestimmten Männer-Welt.
    Der böse Mann ging, besaß noch die Frechheit, auf der Treppe zu pfeifen, gefolgt von Marianne und Rüdiger.
    «Ich werde dir den Schaden ersetzen», sagte sie kleinlaut und drückte mir einen betrüblichen, in Plastik gehüllten Scherbenhaufen in die Hand. Rüdiger sagte gar nichts. Stand bloß daneben und betrachtete interessiert die Maserung meines Parkettbodens.
    «Wenn’s ein Mädchen wird, könnt ihr es ja Cora nennen, als kleines Dankeschön für mich», versuchte ich ein auflockerndes Scherzwort zu sprechen.
    «Nicht nötig, wir haben eine Haftpflichtversicherung», sagte Rüdiger zu meinem Parkettboden. Ich glaube, Rüdiger nahm esmir persönlich übel, dass ich ihn bei einem Gefühlsausbruch ertappt hatte. Marianne sah mich auch ein wenig konsterniert an. Das hat man davon. Da stellt man seine Küche als Schlachtfeld zur Verfügung und wird dann ganz plötzlich zum gemeinsamen Feindbild der gegnerischen Truppen.
    Werde mich jetzt ermattet, wie ich bin, auf mein Zebrasofa schwingen und über mein verpfuschtes Leben grübeln. Könnte damit anfangen, meine Videokassetten alphabetisch zu ordnen.
    Oder ich denke mir Kosenamen für Hoden aus. Das bringt mich vielleicht auf andere Gedanken.
    Verlorene Eier.
    Elmex und Aronal.
    Dick und Doof.
    Karius und Baktus.
    Lachsack.
    Kichererbsen.
    Bin nicht in Stimmung. Bin unglücklich. Bin so weit, Van Morrison aufzulegen und mich mit ihm meinem Kummer hinzugeben. Draußen scheint immer noch die Sonne. Es ist eine Zumutung. Vom Italiener an der Ecke klingt Stimmengewirr und Gelächter hinauf in mein tristes Dasein. Da sitzen sie jetzt unter bunten Lampions, trinken schlechten Weißwein, essen

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