Mondscheintarif
vorbeifliegenden Rapsfelder und genoss die Beschallung von Lloyd Cole.
Lloyd Cole gefällt mir zwar nicht besonders, aber ich bilde mir ein, die Botschaft zu verstehen, die jemand senden will, indem er Lloyd Cole an einem Sommerabend im BMW spielt.
Und die Botschaft gefällt mir: ‹Ich fuhr nicht immer BMW. Ja, auch ich habe auf befleckten Flokatis gekifft, meine Eltern, die Atomindustrie und Helmut Kohl verachtet. Es ist eher Zufall, dass trotzdem etwas aus mir geworden ist. Und ich schäme mich dafür, dass ich mich jetzt gezwungen sehe, eine Putzfrau zu beschäftigen und FDP zu wählen.›
Oooohhh! Es geht mir ja so gut! Ich sitze neben einem schmucken Akademiker, er trägt schwarze Jeans und ein weißes Hemd, lächelt hin und wieder zu mir rüber, die Abendsonne scheint in den selbstverständlich mit Schiebedach ausgestatteten Wagen. Und Lloyd singt:
«Are you ready to be heartbroken.»
Ja! Herz brechen! Die eine Hälfte verschenken! Verlieben! Ich könnte so um die ganze Welt fahren!
«You say you’re so happy now. You can hardly stand.»
Stimmt. Fühlt sich immer noch an wie mit fünfzehn.
«Are you ready to be heartbroken.»
Daniel legte seine Hand auf meine. Uuhh. Das ist besser als die meisten Orgasmen, die ich in letzter Zeit so erlebt habe.
Bin Teenager! Könnte jetzt giggelnd Pina Colada trinken, auf Tischen tanzen, Overknees tragen, mir einen Schönheitsfleck auf die rechte Wange malen und mich für unwiderstehlich halten. Mmmh.
«Are you ready to bleed?»
«Aufwachen, Cora Hübsch! Wir sind da.»
Gleichzeitig mit Lloyd Cole verstummte der Motor.
«Also, wenn das hier eine Scheune sein soll, dann möcht ich nicht wissen, als was die mein Wohnzimmer bezeichnen würden.» Ich hatte mich bei Daniel untergehakt, und wir gingen auf eine Art ländlichen Holzpalast zu.
«Michael ist Schönheitschirurg. Die verdienen gut.»
Oh, Schönheitschirurg. Das war mir irgendwie unangenehm und erinnerte mich an eine Essenseinladung vor ein paar Wochen.
Da hatte ich neben einem Friseur gesessen und mich sehr unwohl gefühlt. Ständig hatte ich das Gefühl, dass sein fachmännischer Blick angewidert auf meinen verstrubbelten Haaren ruhte und er sich zurückhalten musste, mich nicht gleich an Ort und Stelle, mit Messer und Gabel, zu frisieren.
«Und Michael ist das Geburtstagskind? Haben wir eigentlich ein Geschenk?»
«Schon in Ordnung. Ich habe mich an irgendwas beteiligt, ich habe allerdings keine Ahnung woran.»
Nun ja, so sind Männer, wenn sie männlich sind und keine Frau haben. Männer sind keine versierten Schenker, meist vergessen sie ja sogar den Anlass, zu dem siejemanden beschenken sollen. Die nettesten Präsente, die die Mütter meiner Ex-Freunde bekamen, gingen immer auf meine Initiative zurück.
Von innen sah die angebliche Scheune noch beeindruckender aus als von außen. Der riesige Raum war mit Hunderten von Lichterketten geschmückt, die von den uralten Deckenbalken hingen. Rechts war eine Bar aufgebaut, links ein gigantisches Büfett. Dazwischen, um eine Tanzfläche herum, befanden sich Dutzende von weißen Stehtischen. Sobald wir eintraten, stürzte ein Kellner auf uns zu und drängte uns ein Glas Champagner auf.
«Auf dein Wohl», sagte ich und bemühte mich um ein verführerisches Lächeln. «Vielen Dank für die Einladung. Und, falls ich’s später vergessen sollte zu sagen: Ich hatte einen wunderschönen Abend.»
Ich erhob mein Glas und betete, dass Daniel nie den Film ‹Pretty Woman› gesehen hatte. Habe seither immer auf eine passende Gelegenheit gewartet, es mal anzubringen. Daniel lächelte geschmeichelt. Glück gehabt. Einmal hatte ich, ich war angeheitert, man möge mir also verzeihen, zu jemandem gesagt: «Ich habe ein Gespür fürs Geschäft und einen Körper für die Sünde.» Der Jemand antwortete: «Melanie Griffith zu Harrison Ford in ‹Die Waffen der Frauen›. Habe ich auch gesehen. Guter Film.» Ja, das war blöd, mündete aber immerhin in eine angeregte Unterhaltung über berühmte Sequenzen aus berühmten Filmen.
«Auf unser Wohl», sagte Daniel. «Ich werde es sicher nicht vergessen zu sagen, aber ich sag’s jetzt schon mal: Ich hatte auch einen wunderschönen Abend.»
Ich trank einen Schluck und grinste verlegen in die Weite des Raumes. Kann meinem Gegenüber in solchen Momenten immer schlecht in die Augen blicken. Zumindest dann nicht, wenn mir wirklich was an diesem Gegenüber liegt.
Um die Situation zu entkrampfen, suchte ich die Toilette
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