Mondschwingen (German Edition)
klopfte ihm
bis zum Hals.
Er hätte den Bund viel früher verlassen
sollen, denn nun war es zu spät, um zu gehen, nun musste er bleiben.
Er verneigte sich, schaute auf und
lächelte, obwohl es ihm so schwer fiel. „Es ist eine Ehre für mich“, sagte er
und hätte am liebsten geweint.
Alles ging schrecklich schief. Er wusste
nicht mehr, was er denken sollte, was richtig war, was falsch. Er war ein Sternenjäger
und doch kein Mensch, Kastja war ein Freund für ihn und doch ein Feind.
„Noch werde ich herrschen, noch habe ich
ein bisschen Zeit“, murmelte Kastja und klopfte seinem Verbündeten auf die
Schulter. „Du wirst ein guter König sein.“
Ein Opfer, dachte Rubens, das seine Jäger
kommandiert.
Plötzlich wandte sich Kastja um und umarmte
Rubens, so ruckartig, dass Rubens beinahe zurückgewichen wäre.
„Du bist wie ein Sohn für mich, Rubens. Ein
Sohn, den ich niemals hatte.“ Er sprach sehr leise, Rubens hörte ihn kaum.
„Enttäusche mich nicht, ja? Enttäusche mich niemals.“ Es klang wie eine
Drohung, eine klitzekleine Drohung.
Kastja löste sich von Rubens, drehte ihm
den Rücken zu und ging den Pfad entlang, den Lichtern hinter den Zelten
entgegen.
„Vielleicht“, flüsterte Rubens, „vielleicht
auch nicht.“
Ein letztes Mal schaute er zu den vier
Monden hinauf, bevor er loslief, seinem König hinterher.
LINUS
und die Sündenherzen
Mortis fuhr über den ledernen Einband. Sein
Finger berührte vorsichtig die Aufschrift, die vorm Kamin funkelte und blinkte,
als versteckten sich in den Buchstaben Glühwürmchen. „Besser, als ich es mir
erhofft habe!“ Mortis klopfte Linus auf den Rücken und strahlte. „Drei
Märchenbücher, drei Bücher voller Geschichten. Schau dir nur die Zeichnungen
an, die Bilder überall!“ Mortis lachte, drückte das Buch an seine Brust und
hielt es dort in den Armen, wie eine Mutter ihr Kind.
Linus hatte den Mantel ausgezogen und lag
schon im Bett. Die Wärme machte ihn müde, doch Kastjas Gesicht, mit der Narbe
auf der Backe, sah er trotzdem immer noch.
Das Lächeln auf Mortis‘ Lippen erlosch und
er lehnte sich gegen den Bettpfosten. „Hat Bjornborg etwas gehört? Warst du in
Gefahr, hat dich jemand gesehen, irgendjemand?“
Gerne hätte Linus einfach nur den Kopf
geschüttelt, er hätte sich so viel Gerede erspart.
„Es
hat mich jemand gesehen“, murmelte Linus. Er drehte sich zur Seite und schloss
die Augen. „Ein Sternenjäger war im Trudanwald. Kastja ist sein Name. Er wollte
mich töten, hat er gesagt.“
Linus spürte, wie sich Mortis aufs Bett
setzte. Sicherlich sah er ihn mit großen Augen an. „Sag das noch einmal.“
„Er wollte mich töten. Und wenn ihn nicht
irgendjemand mit einem Pfeil überrascht hätte, dann würde ich hier wohl nicht
liegen.“ Linus streckte die Beine aus und gähnte. „Ich bin ihm ziemlich knapp
entkommen.“
Das Gewicht am Ende des Bettes verschwand.
Mortis kam zu Linus heran und fasste ihn an den Armen. „Sagst du die Wahrheit?“
Mortis war so nah an seinem Gesicht, dass
sich ihre Nasen berührten.
„Alles ist so schnell passiert. Kastja
lauerte mir in der Dunkelheit auf, es ging viel zu schnell.“
Mortis setzte sich auf den Boden, mit dem
Rücken zur Wand. „Ich wusste, dass es
irgendwann passiert. Ich hätte dich nicht gehen lassen dürfen. Ich hätte dir niemals
den Vorschlag machen sollen.“
„Ich lebe noch“, sagte Linus nur.
„Ich hätte dich niemals gehen lassen sollen“,
raunte Mortis, schaute zur Decke hinauf und schüttelte den Kopf, immer wieder.
„Was blieb dir denn übrig?“, seufzte Linus.
„Du brauchst Geschichten, weil der Frostfürst sie will. Und außerdem macht mir
das Stehlen Spaß, ja wirklich, es macht mir Spaß!“
„Darum geht es nicht. Es ist gefährlich und
das wussten wir beide. Die Sternenjäger haben viele Spione, überall kann einer
sein. Es war nur eine Frage der Zeit ...“ Er schnaubte und schlug den
Hinterkopf gegen die Wand.
„Werden wir gehen müssen?“ Linus fürchtete
sich so sehr vor der Antwort, dass er nicht sicher war, ob er die Worte laut
ausgesprochen hatte.
Mortis sah ihn sehr lange sehr ernst an,
dann schüttelte er den Kopf. „Jäger sind auf Burgen nicht erwünscht. Sie zeigen
den Menschen, dass Mondschwingen unter ihnen leben und davor fürchten sie sich.
Mondschwingen sind eine Krankheit, eine ansteckende, schreckliche Krankheit.
Kein Fürst will sie auf seiner Burg sehen.“ Er verschränkte
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