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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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die Arme auf den
Beinen und legte den Kopf auf die gefalteten Hände. „Und dennoch … sie könnten
heimlich kommen oder Gerüchte streuen. Oder dem Frostfürsten bitterböse Worte
einflüstern.“
    Mortis stand auf und schlurfte ans Fenster.
„Du stiehlst nicht mehr, hörst du? Ich hätte es dir schon viel früher verbieten
sollen.“
    „Es wird nicht mehr passieren. Nie mehr.
Kastja und auch sonst keiner von seinen Jägern wird mich kriegen.“ Linus flehte
fast, so schlimm erschien es ihm, nie wieder zu klauen.
    Mortis schüttelte den Kopf.
    „Nein“, sagte er. Ein Wort nur und es war
doch so schmerzhaft. „Es ist zu gefährlich.“
    Diesmal war Linus derjenige, der den Kopf
schüttelte. Er wusste, dass er nichts sagen musste, damit sein Vater verstand.
Dass er das Stehlen nicht einfach so aufgeben würde.
    Mortis seufzte. „Damit du mich verstehst
...“ er stockte und setzte sich langsam auf die Fensterbank „muss ich es dir
wohl erzählen. Ich hätte es dir früher sagen müssen, doch noch ist es nicht zu
spät dafür, denke ich.“ Er rückte bis zur Scheibe zurück und lehnte den Kopf
gegen das Glas. „Ich habe selten über deine Mutter gesprochen und ich weiß,
dass du gerne mehr gehört hättest. Du weißt, dass sie gestorben ist, kurz nach
deiner Geburt. Doch wie genau sie starb, das weißt du nicht. Ich schätze,
niemand weiß es genau, nicht einmal ich, doch ich ahne es und das ist mir
genug.“
    Linus richtete sich auf, seine Müdigkeit
war ohnehin schon lang verflogen.  
    „Sie wurde getötet“, flüsterte Mortis. „Sie
war im Wald spazieren, das tat sie oft damals, weil sie die Frostburg nicht
mochte. Sie konnte niemals lange in der Burg bleiben, ich ging meistens mit ihr
nach draußen, doch dieses eine Mal war sie allein. Sie kam nie zurück.“ Mortis
weinte nicht, seine Stimme war auch nicht zittrig oder dünn, doch traurig klang
er schon. „Als ich nach ihr suchte, fand ich nicht mehr als einen Fetzen ihres
Kleides, ein einzelner, winziger Fetzen, fast hätte ich ihn übersehen. Ich fand
ihn in einem Haufen Asche, die Bäume waren schwarz verbrannt. Man roch noch den
Rauch und das Feuer in der Luft.“ Da waren sie nun doch, kleine Tränen in den
Augenwinkeln. „Die Sternenjäger haben sie getötet, haben ihr aufgelauert. Sie
verbrannten manchmal ihre toten Opfer, sehr selten nur.“ Auf einmal sah Mortis
so einsam aus, so alleingelassen.
    „Darum“, sagte er und er wischte sich die
Tränen mit dem Handrücken fort „darum will ich nicht, dass du weiterhin
stiehlst. Ich habe es dir erlaubt, weil du es wolltest, wirklich wolltest, und
– das muss ich zugeben – weil der Frostfürst uns ohne guten Geschichten nicht
bleiben lässt.“ Er schaute zu den Büchern am Kamin.
    „Marva war eine Mondschwinge? Sie hat sich
auch versteckt, wie du und ich?“ Linus kroch aus dem warmen Bett, lief zu
Mortis hinüber und setzte sich neben ihn. Die Steinwand drückte sich an seine
Schulter. „Du hast nie etwas von ihr erzählt.“
    „Sie war hübsch.“ Mortis lächelte. Er
wandte den Kopf um und sah Linus an. „Du siehst ein bisschen aus wie sie, weißt
du das?“ Das Lächeln zuckte noch einmal bevor es verschwand. „Natürlich weißt
du es nicht. Es tut mir weh, über sie zu sprechen und wenn ich nur mehr von ihr
erzählt hätte, davon, wie sehr sie Geschichten liebte, wie viel besser als ich
sie erzählte, dann hättest du irgendwann gefragt, wie genau sie gestorben ist.
Ich wollte nicht, dass du von dem Mord erfährst, vom dem kläglichen, kleinen
Aschekreis im Wald.“
    „Erzähl etwas von ihr, irgendwas.“ Er hatte
selten an Marva gedacht, denn er konnte sich nicht an sie erinnern. Nur ein
einziges Mal hatte er Mortis gefragt, ob sie an Fieber gestorben sei, wie so
viele andere in den Wintern in Malvö, doch Mortis hatte nichts gesagt.
    „Ich habe sie auf dem Bernsteinfest
gesehen, niemand kannte sie, niemand sprach mit ihr.“
    Es begann leise zu regnen, kleine Tropfen
schlugen gegen die Fensterscheibe. „Sie fiel in der Menge auf, denn sie passte
nicht dazu, ich weiß nicht einmal warum. Sie sah ... so anders aus, so viel
hübscher wie der ganze Rest. Ich glaube, alle Hofdamen waren auf sie neidisch, niemand
unter ihnen war so hüsch wie Marva. Der Bernsteinfürst sah sie immerzu an, die
ganze Zeit und irgendwann redete ich dann mit ihr.“
    Linus hatte sie sich immer als blonde,
blasse Frau vorgestellt, mit schmalem Gesicht und dunkelblauen Augen. Doch meistens
war sie

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