Mondsplitter
Schiffsanlagen während der Startphase, aber sie nahm sich stets auch die Zeit, um die Mondlandschaft zu betrachten. Sie liebte die Höhen und diesen ganzen Ort, abgelegen und kahl, beleuchtet von der blauweißen Erde. Ein beiläufiger Besucher, der in den 117 Kilometer durchmessenden Krater blickte, hätte gar nicht bemerkt, daß dort Frauen und Männer umhergegangen waren, dort etwas gebaut hatten. Aus etlichen praktischen Gründen lag die Mondbasis unter der Oberfläche. Schon aus einer Höhe von tausend Metern benötigte man scharfe Augen, um die Antennen, die Solarzellen und die Einschienenbahn zu erkennen. Saber glaubte jedoch lieber, daß die Mondbasis nicht aus praktischen Gründen versteckt lag, sondern aufgrund eines Sinns für die gebrechliche Schönheit dieser Welt und eines Widerstrebens, die alten Fehler zu wiederholen. Nicht, daß das jetzt noch Bedeutung hatte. Der Schein des Kometen stieg in drei Richtungen über den Horizont auf und signalisierte, daß das Monster näherkam. Es sah aus, als würde eine riesenhafte Sonne überall zugleich aufgehen. Die fernen Gipfel und Kraterränder zeichneten sich schärfer ab. Hinter dem westlichen Ringwall von Alphonsus schwenkte der schwarze Verwitterungsboden des Mare Nubium, des Meeres der Wolken, ins grelle Licht hinaus.
»Sieh dir das an«, sagte Tony und schaltete eine Computersimulation ein. Eine Scheibe von der Größe eines Zehncentstücks und ein winziger Halbmond, Symbole, die Erde und Mond darstellten, schwebten innerhalb eines weißen Kegels. Der Kometenschweif.
»Man sollte eigentlich erwarten, daß wir ihn hier draußen sehen können«, sagte Saber. Der Himmel war jedoch so schwarz wie immer. Nur die Erde sah anders aus. Saber war nicht sicher, aber der Planet wirkte fahler als sonst, als würde das Sonnenlicht seitlich weggebogen.
Tony sagte: »Sie schätzen die Länge des Schweifs auf siebzig Millionen Kilometer. Er reicht bis hinaus zur Umlaufbahn des Mars.«
Und er kommt noch am nächsten ans Vakuum heran, dachte sie.
Während der Mikrobus weiter in die Mondnacht aufstieg, tat der sommerfarbene Komet das gleiche und hüllte den Mond in sein Licht. Saber hörte den Reaktionen der Fluggäste zu, die das Schauspiel durch ihre Fenster verfolgten.
Sie spürte, daß Tonys Adrenalin jetzt gleichmäßig gepumpt wurde. Er schien es tatsächlich zu genießen.
»Tony«, sagte sie, »denkst du, daß wir diese Nummer wirklich durchziehen können?«
Er zeigte ihr den aufgerichteten Daumen. »Sicher«, sagte er. »Es wird knapp, aber wir schaffen es.« Er schaltete das Bild des Kometen auf dem Hauptmonitor ab. »Chandler sagt, daß Keith Morley zu der Gruppe gehört. Daß er live aus dem Mikrobus senden möchte.« Er lachte. »Wir werden berühmt, Saber!«
»Solange wir dabei nicht umkommen.«
Er wurde auf ihren Unterton aufmerksam. »Hey«, sagte er, »Alisa, wir schaffen das.« Tony benutzte nur selten ihren richtigen Namen. Nur, wenn er sich um einen vertrauten Tonfall bemühte. In diesem Fall, um sie zu beruhigen. »Bigfoot denkt, daß wir es schaffen können.«
»Bigfoot denkt, daß er sein Leben wegwirft.«
Tonys Gesicht wurde düster. Er war normalerweise liebenswürdig, aber das war eine ernste Sache. »Das stimmt nicht.«
»Natürlich stimmt es.«
»Er hat sich dazu bereiterklärt. Niemand hat ihm dabei eine Pistole an den Kopf gehalten.«
»Sieh mal, Tony, er war verantwortlich für den Pfusch, der uns in diese Lage gebracht hat. Was hast du denn von ihm erwartet, als du ihn nach einem Freiwilligen gefragt hast?«
Sie wußte, daß ihn das verletzte, aber es stimmte einfach. Er stritt es natürlich ab. »Bigfoot würde nicht bleiben, wenn er nicht der Meinung wäre, daß wir es schaffen können.« Er funkelte sie an. »Gottverdammt, Saber, du brauchst nicht mitzumachen, wenn du nicht denkst, daß wir es hinkriegen können. Ich schaffe es auch allein, wenn es sein muß.«
Sie musterte ihn ausgiebig. »Tony, weißt du, daß du mich nie gefragt hast, ob ich diesen Versuch unternehmen wollte?«
Er wurde bleich, und sie erkannte, daß er zurückdachte und die Gespräche mit ihr noch einmal abspulte. »Klar habe ich«, sagte er. Und dann: »Es tut mir leid. Ich bin einfach davon ausgegangen …«
Wäre sie sich selbst überlassen gewesen, wäre sie wohl nicht bereit gewesen, den Rettungsversuch zu wagen. Sie hing am Leben, und sie hielt nicht viel von den Chancen, die sie bei dieser Sache hatten.
Es war ja nicht so, daß sie zu einem
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