Mondsplitter
Rettungsversuch verpflichtet gewesen wären. Man tat, was möglich war. Aber niemand sollte gebeten werden, sein Leben ohne guten Grund wegzuwerfen.
Also fühlte sie sich versucht, sein Angebot anzunehmen. Sollte er es ruhig allein probieren. »Du gehst von vielem aus, Tony. Es wäre nett gewesen, mich zu fragen.«
Er schmollte kurz. »Verzeihung. Ich dachte, du würdest mitmachen wollen.«
»Sieh mal, verzichte lieber darauf, große Schuldgefühle auf mich zu wälzen. Ich mache mit.« Und so schnell, beinahe ohne Nachdenken, fiel die Entscheidung. »Aber nächstes Mal möchte ich gefragt werden. Geradeheraus.«
»Okay«, sagte er. »Ich entschuldige mich. Aber ich habe nicht versucht, dir Schuldgefühle einzuflößen.«
»Vergiß es.« Verdammt, man sollte nie einen Auftrag an der Seite eines Helden annehmen!
Mondbasis, Raumhafen, 20 Uhr 21
Die letzten drei Flüge waren innerhalb von fünfzig Minuten Abstand nacheinander gestartet. Bigfoot blieb am Funk und redete mit den Piloten, bis sie auf ihren Leitsignalen in den Orbit aufgestiegen waren. Dann übergab er die Leitung an die Arlington, schob den Stuhl zurück und sah sich in der Betriebszentrale um. In diesem ganzen riesigen Areal aus Computerplätzen, Einstiegszonen, Startflächen, Versorgungsräumen und Funkausrüstung war er allein. Die meisten Lampen waren schon ausgeschaltet. Die Deckentore von Hangar vier standen noch offen. Irgendwo zischte eine Dampfleitung.
Bigfoot entstammte einer Arbeiterfamilie, die es nie geschafft hatte, schwarze Zahlen zu schreiben, bis er einen Vertrag bei den Packers unterschrieb. Er wußte, wie das war, wenn man von einem Zahltag zum nächsten lebte, und hatte daraus gelernt, nichts zu verschwenden. Lade dir soviel auf den Teller, wie du möchtest, aber nimm nichts, was du nicht auch essen wirst. Als diese Verletzung schon im ersten Spiel seine Karriere beendete, ging er zur Bundesluftfahrtbehörde, arbeitete als Flugsicherheitsinspektor, dann als Fluglotse, und demonstrierte dabei Führungseigenschaften. Die Menschen vertrauten ihm instinktiv. Er hatte stets das Gefühl gehabt, dieses Vertrauen verdient zu haben. Bis zu dem Zwischenfall mit dem Mikrobus.
Wenn man an die Konstruktion der Ventile dachte, dann hatte ein solcher Unfall einfach irgendwann passieren müssen. Es war einfach furchtbares Pech, daß es zu diesem Zeitpunkt geschah. Aber es hatte in seiner Verantwortung gelegen.
Das Abendessen war jetzt wohl vorbei, aber er vermutete, daß sie immer noch dort oben waren, wechselseitig Anteil an ihrem Mißgeschick nahmen und versuchten, nicht zuviel an das zu denken, was ihnen bevorstand. Die Tatsache, daß auch der Vizepräsident an dem Essen teilnahm und Bigfoot normalerweise einen Mord begangen hätte, um mit der Nummer zwei des Landes zu essen, änderte nichts an der Tatsache, daß all diese Menschen mit dem Tod rechneten. Das war ein gesellschaftliches Ereignis, an dem er einfach nicht teilnehmen wollte. Trotzdem, sie hatten ihn eingeladen.
Er schloß die Deckentore von Hangar vier und setzte den Startplatz wieder unter Druck. Dort würde er den Mikrobus einweisen, wenn er kam. Das geschah jedoch erst in mehr als anderthalb Stunden, und die Pumpen wären eingefroren, hätte er den Hangar nicht wieder dichtgemacht. Er überlegte, was sonst noch zu tun war. Es gab jedoch nicht viel vorab zu erledigen, worum er sich nicht schon gekümmert hatte. Diesmal kein Checklistendurchgang. Sie würden nur nachtanken, die Passagiere an Bord nehmen und wie der Teufel von hier verschwinden. Mehrere Bildschirme zeigten eine Computersimulation des Kometen. Bigfoot schritt durch die Zentrale, schaltete einige Monitore aus und andere, die er später noch brauchte, auf andere Bilder um. Er entschied, daß es auf dem Raumhafen zu still war.
Er schaltete sein Telefon in den Funk ein, damit die Piloten ihn notfalls erreichen konnten. Dann rief er die Straßenbahn und fuhr hinüber zur Main Plaza, von wo aus er den Fahrstuhl hinauf zu den Verwaltungsbüros nahm.
Skyport, Orbitallabor, 20 Uhr 44
»Ich komme nicht mit«, sagte Tory. »Und mehr ist dazu nicht zu sagen.«
Windy drückte sich die Finger an die Stirn und gab Laute von sich, als hätte er Migräne. »Du hast die Anweisung erhalten, abzufliegen«, sagte er. »Es ist nicht meine Entscheidung, und deshalb steht sie nicht zur Debatte. Dein Flug geht um …« Er blickte auf ein Papier auf seinem Schreibtisch. »… zwölf nach neun. Sieh zu, daß du
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