Mondsplitter
wird ›Saber‹ genannt. Ich erwarte, etwas später am Abend mit beiden reden zu können, live über eine Verbindung zum Cockpit des Mikrobusses.
Bei mir ist jetzt Kaplan Mark Pinnacle, eine der sechs Personen, die sich einverstanden erklärten, hier zurückzubleiben, während alle anderen evakuiert werden. Als Sie sich meldeten, Kaplan, wußten Sie da schon, daß es noch einen Rettungsversuch in letzter Minute geben würde?«
»Nein, Keith. Wir hatten keine Ahnung, daß tatsächlich noch jemand versuchen würde, uns herauszuholen. Ich muß sagen, daß ich begeistert war, als ich es hörte. Ich hoffe, wir schaffen es.«
»Sind Sie zuversichtlich?«
»Ich denke gern, daß Gott mit mir noch nicht fertig ist.«
»Kaplan, ich frage mich, ob Sie uns vielleicht erzählen möchten, warum Sie sich fürs Bleiben entschieden haben?«
»Ich schätze, ich könnte die Gegenfrage stellen, Keith. Warum sind Sie noch hier?«
(Zögert.) »Ich denke, weil es mein Job ist.«
»Meiner auch.«
»Kaplan, ich frage mich, ob Sie uns wohl sagen, welchen Glauben Sie vertreten?«
»Nun, ich gehöre natürlich der Kirche von England an. Auf dem Mond repräsentiere ich jedoch alle Glaubensrichtungen. Und nicht nur die christlichen, wie ich hinzufügen könnte.«
»Ich bin sicher, unsere Zuschauer fragen sich, wie das möglich ist, Kaplan.«
»Ich bin nicht sicher, daß ich es verstehe, Keith. Die Leute scheinen es einfach zu akzeptieren. Scheinen mich zu akzeptieren. Falls Sie wissen, was ich meine.«
Mondbasis, Main Plaza, 18 Uhr 28
Kaplan Pinnacle war schweißgebadet. Er war froh, das Interview hinter sich zu haben, aber mit seinem Abschneiden war er nicht zufrieden. Ihm hatte sich eine vom Himmel gesandte Gelegenheit geboten, der Welt zu erklären, wie es hier draußen wirklich war, wie die großen Religionen zusammenkamen und die theologischen Streitpunkte verblaßten. Auf dem Mond gab es keine Ketzer.
Hier draußen wirkt das Universum ganz schön groß.
Die Theologen hatten den Schöpfer schon immer als unendlich beschrieben. Und zum erstenmal dämmerte den Menschen, was das vielleicht bedeutete. Vielleicht ist ja genug Platz für alle Glaubensrichtungen. Sie scheinen ganz nett miteinander auszukommen, sobald sie erst mal die Erde verlassen haben.
Mark hatte sich seinem Gott noch nie näher gefühlt als in diesem Augenblick. Und doch kam dieser gigantische Komet heran, um den Mond völlig zu zerstören. Warum geschah das?
Mondbasis, privates Eßzimmer des Direktors, 18 Uhr 30
Vielleicht war es das denkwürdigste Abendessen, an dem Charlie in seiner ganzen politischen Laufbahn je teilgenommen hatte. Er war widerstrebend gekommen, hatte mit einer Begräbnisatmosphäre gerechnet, in der die Teilnehmer die Blicke der Verdammten austauschten und alle paar Minuten verstohlen auf die Uhren sahen. Aber so lief es ganz und gar nicht. Jack Chandler und Evelyn schienen hochgestimmt. Keith Morley hatte sich bis eben in der verlassenen Kommzentrale aufgehalten und einen permanenten Kanal zu seinem Produzenten eingerichtet. Er hatte sich mit dem Kaplan hingesetzt, seine Microcam aufgebaut und Programm gemacht. »Sie waren absolut phantastisch«, erklärte er gerade einem erfreuten Pinnacle, als Charlie zur Tür hereinkam. »Glauben, Mut und Demut. Alles war da.«
Der Kaplan dankte ihm. »Eine weltumspannende Gemeinde«, sagte er. »Ich hätte es nie für möglich gehalten.«
Nur Bigfoot fehlte. Er hatte versprochen zu kommen, wenn er es einrichten konnte, aber dann eine Nachricht geschickt: Danke für die Einladung. Ist mir zuwider, daß ich die Wurst versäume. Aber falls ich jetzt esse, sitzen wir später fest.
Evelyn und Jack hatten gekocht. Wurst war nicht auf dem Tisch. Aber es gab Salat Cäsar, Chicken Fingers (von echtem Huhn), Bratkartoffeln, Senfsauce, Weißwein, Kaffee und als Dessert Pièce de résistance, Schokoladenkuchen mit Zuckermasse und Eiscreme. In Georgetown hätte es vielleicht nicht viel hergemacht, aber nach den Standards der Mondbasis war es ein bedeutendes Festmahl.
Der Kaplan senkte den Kopf. Unter anderen Umständen hätten die Tischgefährten wohl wenig mehr getan, als verlegen innezuhalten. Diesmal jedoch schlossen sich ihm alle an.
Charlie war als Methodist erzogen worden, und das von einem skeptischen Vater, dessen vorrangige Absicht bei der Kirchenzugehörigkeit anscheinend politischer Natur gewesen war. Die Kirche war das Machtzentrum für die großen Macher, für die Leute
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