Mondsplitter
Koordinaten an ihre wartenden Kunden weiter, zu denen der Satelliten-Aufspürdienst der US-Marine gehörte.
NOTFALL***NOTFALL***NOTFALL
VON: NAVSAT
AN: ALLNAV
ZEIT: 140956Z
BETR.: FRÜHWARNUNG
FLUTWELLE RICHTUNG VIRGINIA-MARYLAND. ENTFERNUNG FÜNFUNDSIEBZIG NAUTISCHE MEILEN. GESCHWINDIGKEIT ZWEI-NEUN-NULL KNOTEN.
Weißes Haus, Konferenzzimmer, 5 Uhr 00
Der Raum war gedrängt voll mit Reportern und Kameras.
Henry blickte grimmig in die Kameralampen. »Liebe amerikanische Mitbürger«, sagte er. »Wir erleben eine schreckliche Nacht für das amerikanische Volk und für die Menschen in aller Welt. Wie Sie wissen, haben uns ungeachtet all unserer Hoffnungen riesige Flutwellen sehr schwer getroffen. Weitere rollen an. Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas anderes sagen; ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, daß dieser nationale Alptraum vorüber ist. Aber das kann ich nicht.
Zusätzlich zu all den Katastrophen des Abends sehen wir uns jetzt von einem großen Objekt bedroht, das wir inzwischen den Possum nennen. Seine richtige Bezeichnung lautet POTIM-38, und er ist über anderthalb Kilometer lang. POTIM-38 ist ein Stück Mondgestein, das beim Einschlag des Kometen weggeschleudert wurde und über das Potential verfügt, unserer Umwelt irreparable Schäden zuzufügen, sollte es auf der Erde einschlagen.
Das Objekt kommt der Erde heute morgen um acht Uhr siebenundvierzig sehr nahe. Es durchquert die Atmosphäre und wird dann wahrscheinlich auf eine Umlaufbahn gehen, die in der Folge verfällt und es wieder zurückbringt.
Es wird so lange ein große Gefahr darstellen, bis wir etwas unternehmen. Und die Realität ist, daß wir nie eine bessere Gelegenheit erhalten werden, uns von dieser Gefahr zu befreien, als heute. Deshalb habe ich der Luftwaffe befohlen, einen massiven Raketenangriff vorzubereiten, der ausgeführt wird, sobald das Objekt sich wieder von der Erde entfernt.
Auf diese Weise …«
Weiter kam er nicht.
Ein Blitz explodierte direkt über dem Weißen Haus. Die Beleuchtung fiel aus, flackerte noch ein paarmal kurz auf und erstarb gänzlich. »Wir sind nicht mehr auf Sendung, Herr Präsident«, sagte ihm der Produzent.
»Können Sie das korrigieren, Herman?«
»In ein paar Minuten. Vielleicht.«
Die Notbeleuchtung sprang an.
Henry blickte auf das Gedränge der Reporter hinunter. »Sie sehen jetzt, wie es hier läuft.« Damit löste er hier und da ein müdes Lächeln aus.
Während er wartete, unterhielt er sich mit ihnen und erklärte zwanglos, welche Konsequenzen es haben könnte, wenn keine Maßnahmen gegen den Possum ergriffen würden. Ob er China konsultiert hatte? wollte jemand wissen. Das hatte er nicht; es war kein chinesisches Thema. CBS fragte, ob die Regierung jetzt ernsthaft erwog, Skybolt zu finanzieren.
Er startete einen Vortrag, daß die Regierung das Konzept schon immer unterstützt habe, und stand schon im Begriff, Geschichte zu klittern, als ein junger Marineleutnant durch eine Seitentür hereinkam und Al Kerr ein Papier reichte. Kerr warf einen Blick darauf, trat sofort vor und gab es an den Präsidenten weiter. Der Text lautete: FLUTWELLE STEHT KURZ BEVOR.
»Meine Damen und Herren«, sagte Henry, »wir sollten unser Gespräch lieber woanders fortsetzen.«
Niemand brauchte eine Erklärung. Die Journalisten stürmten zu ihren Autos. Der Präsident wandte sich an einen Mitarbeiter. »Holen Sie Emily«, sagte er.
10.
AstroLab, 5 Uhr 07
Feinberg hatte gerade mit Windy Cross über POTIM-38 gesprochen und um Justierungen beim Abbildungsvorgang gebeten, als bei ihm der Strom ausfiel. Eine Minute später waren auch die Telefonleitungen außer Betrieb.
Aber Feinberg hatte inzwischen eine führende Rolle im Geschehen, größer vielleicht, als er ahnte. Zehn Minuten, nachdem alles ausgefallen war, landete ein Armeehelikopter auf dem Rasen vor dem Haus und ein junger Hauptmann stellte sich bei Feinberg vor. Er hieß McMichael und hatte den Auftrag, dem Professor jedes Beförderungs- und Kommunikationsmittel bereitzustellen, das er vielleicht brauchte. Dann fragte er vertraulich, ob der Possum so gefährlich war, wie der Präsident sagte.
Feinberg versicherte ihm, daß man die Gefahr gar nicht übertreiben konnte.
Trotz allem war Wes Feinberg irgendwie die menschliche Dimension der Katastrophe entgangen. Er wußte, was auf der Welt passierte, aber er hatte sich ganz auf Orbitalmechanik und später die Dynamik des Possums konzentriert. Er hatte den
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