Mondsplitter
Präsidenten alarmiert, sobald er die Gefahr erkannte. Echte menschliche Anteilnahme hatte er jedoch nicht empfunden. Als er jetzt in McMichaels graue Augen blickte und die Angst dieses Mannes spürte, wurde ihm die eigene Distanz bewußt. Er wußte, worauf sie beruhte: seinem Gefühl, daß man im Hinblick auf den Possum nichts unternehmen konnte, so wenig wie zuvor im Hinblick auf den Kometen. Er hatte dem Präsidenten zum Handeln geraten, obwohl er selbst keine Möglichkeit dazu sah. Schließlich hatte die Welt ohne Skybolt kein Instrument zur Hand, um sich zu verteidigen. Die menschliche Rasse war zu einem kosmischen Billardspiel aufgerufen. Sie verlor es wahrscheinlich, wenn sie nicht großes Glück hatte. Und weil Feinberg nur zuschauen konnte, ging seine gefühlsmäßige Beteiligung nicht über den Nervenkitzel hinaus, heute hier sein zu können.
Der Possum passierte die Erde im geringstmöglichen Abstand und donnerte buchstäblich durch die Atmosphäre, nahe genug, um ihn mit bloßem Auge zu sehen. Er brachte jedoch genügend Impuls mit, um nicht herabgezogen zu werden. Was Feinberg interessierte, waren die Flugbahn und die Geschwindigkeit, mit der er letztlich wieder hinausflog.
»Hat der Präsident eine öffentliche Stellungnahme zum Possum abgegeben?« fragte er.
»Ja, Sir. Er hat eine Pressekonferenz abgehalten, aber die Sendung ist mittendrin ausgefallen. Stromausfall in D.C.«
»Wie im restlichen Land«, stellte Feinberg fest. »Was hat er über den Possum gesagt?«
»Daß er ihn mit Atomraketen zerstören wird, Sir.«
»Wie bitte?«
»Ja, Sir.« McMichael blickte auf die Uhr. »In ein paar Stunden, vermute ich. Gleich nachdem der Possum China überquert hat.«
Feinberg seufzte. »Verbinden Sie mich mit ihm, Hauptmann.«
»Sir, ich werde tun, was ich kann.«
Gottverdammte Idioten! Fragen Politiker eigentlich nie nach, ehe sie ihre Entscheidungen treffen?
Weißes Haus, 5 Uhr 09
Eilig führte man den Präsidenten und die First Lady durch sintflutartigen Regen über den westlichen Rasen, wo die drei Hubschrauber standen. Einer startete, während sie sich durch das klatschnasse Gras schleppten. Trotz seiner Krankheit war Henry tatsächlich in besserer Verfassung als die meisten Büroleute in mittleren Jahren, die ihn begleiteten, und letztlich war er es, der einigen von ihnen half. Besonders Kerr rang nach Luft, ehe er mehr als ein paar Schritte geschafft hatte.
Die Vertreter des Militärs hielten sich am Rand der Gruppe, um zu helfen, wo es nötig wurde. Als Henry den wartenden Helikopter erreichte, erhellte ein Blitz das Kapital und den südöstlichen Himmel für scheinbar eine volle Minute. Und Henry sah die Flutwelle. Sie schien buchstäblich anderthalb Kilometer hoch. Ihr weißer Kamm brach sich, und sie stürzte wie ein Berg aus Wasser auf die Flüchtenden ein. Die Leute weiter hinten schnappten nach Luft und kletterten in den Hubschrauber. Die Besatzung half, zerrte manche praktisch am Genick herein, während ein Offizier der Marines überflüssigerweise schrie: »Los, los, los!« Henry half Emily hinauf, und dann zerrte man ihn selbst ohne viel Federlesens in die Maschine und reichte ihn nicht allzu sanft von Hand zu Hand weiter. Er hörte, wie Emily mit erstickter Stimme Als Namen rief, und sah, wie Kerr wieder stolperte, sich die Beine verdrehte und nach vorn stürzte, während ein junger Leutnant ihn aufrecht zu halten versuchte. Knapp zwanzig Meter hinter dem Stabschef rannten eine Handvoll Reporter durch den dampfenden Regen. Eine Stimme hinter Henry sagte »weg hier«, und das Tosen der Triebwerke wurde tiefer, und der Heli hob ab.
Der Präsident schrie, sie sollten warten, befahl dem Piloten, wieder aufzusetzen. Kerr war noch auf dem Boden; sie hatten nicht alle an Bord, und dabei reichte der Platz noch. Man zerrte Henry jedoch von der offenen Tür weg, und jemand sagte, alles wäre in Ordnung, der andere Heli würde die Nachzügler einsammeln. Henry wußte jedoch, daß es zu viele für die letzte Maschine waren. Er befand sich in einem großen Lastenhubschrauber. Die Maschine stieg so rasch in die Höhe, daß er aufs Deck purzelte. Ein Crewmitglied stürzte auf ihn und hielt ihn fest. Jemand anderes knallte die Tür zu. »Halten Sie sich fest, Sir«, sagte das Crewmitglied.
Heftiger Wind schüttelte den Hubschrauber. Henry konnte die Flutwelle nicht mehr sehen, konnte in der dunklen Kabine überhaupt nichts sehen, konnte auch nicht aufstehen, um hinauszublicken, weil
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