Mondsplitter
Mondverkehrsbehörde, und noch vor wenigen Tagen hatte er kein bedeutsames Hindernis irgendeiner Art gesehen, das einer brillanten Konzernzukunft im Weg gestanden hätte. Jetzt waren praktisch über Nacht Mondbasis International und Hampton aus dem Geschäft geflogen, und er vermutete, daß ihnen die MVB und Stratemeyer dichtauf folgten.
Die Privatwirtschaft war noch nicht bereit, die bemannte Raumfahrt zu übernehmen und dabei ohne beträchtliche staatliche Subventionen auszukommen. Ein gewaltiges Potential wartete dort draußen, aber man war immer noch mehrere Jahre davon entfernt, es ausbeuten zu können. Derweil waren die Kapitalinvestitionen bereits astronomisch hoch. (Heute lächelte er nicht mehr über diesen alten Scherz.) Deshalb brauchte man auch das Vertrauen darauf, daß das Programm bis zur Verwirklichung durchgezogen wurde. Falls die Staaten jetzt ihre Hilfe zurückzogen, kam es zur Kernschmelze. Die MVB, Mondbasis International und mehrere hundert weitere, kleinere Unternehmen arbeiteten derzeit an fortlaufend stärker ausgeklügelter Technik.
Stratemeyer hatte einen langen, düsteren Tag auf hastig einberufenen Konferenzen hinter sich, wo man sich bemüht hatte, eine Strategie zu entwickeln, die die Industrie am Leben hielt. Man stimmte jedoch darin überein, daß die Raumfahrt auf absehbare Zeit tot war. Es war zu erwarten, daß die beteiligten Regierungen auf Überlebensmodus schalteten, und die Industrie allein konnte die Lasten nicht schultern. Und in welchem Zustand war die Weltwirtschaft in einer Woche sowieso? Manche hatten argumentiert, daß die Produkte des Raumfahrtzeitalters keinen Markt mehr finden würden, selbst wenn sie noch lieferbar waren.
Sein Funktelefon trillerte. Er blickte aufs Display: Ein Anruf aus Camp David. »Stratemeyer«, sagte er.
Eine Frauenstimme meldete sich am anderen Ende: »Bitte warten Sie auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten.« Stratemeyer spürte, wie sein Herz etwas schneller schlug. Trotz all der Jahre des Umgangs mit den Männern und Frauen, die Richtung und Impuls der westlichen Zivilisation bestimmten, hatte er bislang nur einmal mit einem amtierenden Präsidenten gesprochen. Das war Culpepper gewesen; Stratemeyer hatte damals einer Gruppe von Managern angehört, die auf Hilfe des Weißen Hauses für die Raumfahrttechnik drängten. Damals war er jünger und leichter zu beeindrucken gewesen. Ihn ärgerte, daß ihm wiederum warm wurde.
Er hörte eine Reihe von Klicks und einen Wechsel des Tons. Dann eine andere Stimme: »Die Verbindung steht, Herr Präsident.«
»Mr. Stratemeyer?« Stratemeyer erkannte Haskells grollenden Tonfall, etwas aus der Ferne, wahrscheinlich von der Percival Lowell aus durchgeschaltet.
»Guten Tag, Herr Präsident. Ich freue mich festzustellen, daß Sie gerettet wurden.«
»Danke. Wir scheinen jetzt in guter Verfassung zu sein.« Er brach kurz ab. »Harold – ist es okay, wenn ich Sie ›Harold‹ nenne? –, wissen Sie, daß der Possum zurückkommt?«
»Ich weiß, Herr Präsident.« Die ganze Welt weiß es. »Was wird geschehen?«
»Deshalb rufe ich an. Harold, wir brauchen die Raumfähren.«
»Die Flotte? Sie alle?«
»Ja.«
»Wozu?«
»Wir möchten den Possum auf eine höhere Umlaufbahn lenken, ihn anheben.« Die Limousine bog nach Norden auf die Arlington Avenue ab. Stratemeyer blickte hinaus und sah die breiten, gepflegten Rasenflächen des Marine-Luftfahrtzentrums. Es gab kaum Verkehr; die Innenstadt war praktisch verlassen. Ungewöhnlich für einen Sonntagnachmittag. Indianapolis wirkte irgendwie geisterhaft, als verschwände es aus der Wirklichkeit. Als versänke es in der Vergangenheit.
»Mit meinen Raumschiffen?« fragte er.
»Harold, Sie sind der einzige, der noch zwischen der Welt und einer fürchterlichen Katastrophe steht.«
»Herr Präsident, ich denke, wir haben die Katastrophe schon erlebt.« Er blickte hinaus auf die leeren Straßen. »Warum erläutern Sie mir nicht präzise, was Sie vorhaben?« Er hörte zu, während ihm Haskell den Plan erläuterte. Sie wollten alle Raumfähren heute abend in Atlanta zusammenziehen und sie dort mit Anlagen ausrüsten, mit denen sie am Possum verankert werden konnten. Dann sollten die Fähren nach Skyport starten und dort auftanken. Bis Dienstagmorgen wären sie dann in Position, um den Felsen abzulenken.
»Es ist ein großer Felsbrocken«, sagte Stratemeyer.
»Ich weiß.«
»Welche Garantie habe ich, daß ich die Raumfähren und ihre Besatzungen
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