Mondsplitter
Sache moderieren. Er wird ein paar Fragen stellen. Ich bin sicher, du kannst dir schon vorstellen, wie die lauten werden. Und wir brauchen beruhigende Antworten.« Er lehnte sich zurück und musterte Rick forschend. »Henry würde das nie zugeben, aber falls ich korrekt zwischen den Zeilen lese, denke ich, sitzen wir in der Tinte. Ich frage mich, ob der Präsident mehr gehört hat, als er zugibt.«
»Es ist der falsche Schritt«, meinte Rick.
»Wieso? Weshalb sagst du das?«
»Es wird nur die Leute wachrütteln, die denken, daß ein großes Problem besteht. Ich garantiere dir: Innerhalb einer Stunde nach der Sendung wird jeder, der eine andere Meinung und einen Doktortitel hat, eine eigene Pressekonferenz abhalten. Am besten kämen wir noch weg, wenn wir so wenig wie möglich sagten, den Präsidenten bei Routinearbeiten fotografierten und um Gottes willen sicherstellten, daß wir auch noch Bilder von seiner Frau und den Enkelkindern an einem Strand in Florida kriegen.«
»Dafür ist es inzwischen zu spät.«
»Schätze ich auch. Weißt du, ich kritisieren ungern einen Kollegen, aber der Präsident braucht wirklich einen anständigen Pressesekretär.« Rick seufzte. »Ich habe einige Berichte aus deinem Heimatstaat gesehen. Alle machen sich auf. Richtung Westen.«
»Ich denke, ich täte es auch«, sagte Charlie.
»Yeah«, sagte Rick. »Besonders, nachdem wir ihnen heute abend erzählen, daß es keinen Grund zur Sorge gibt.«
Percival Lowell, Ausrüstungsdeck, 8 Uhr 14
Rachel erfuhr von der Verschiebung des Marsfluges, als sie gerade den zweiten Schwung Passagiere an Bord nahm.
MARSFLUG ABGESAGT. NEUES DATUM STEHT NOCH NICHT FEST. TUT UNS LEID.
Lee Cochran war achtern und brachte die Fluggäste unter. Rachel zog eine Kopie, und als sich der Bus wieder entfernt hatte, ging sie nach hinten und zeigte Lee die Meldung. Er nickte, ohne Emotionen zu zeigen. »Ich frage mich«, sagte er, »ob es je zu einem Marsflug kommt.«
Lees Bemerkung blieb in Rachels Gedächtnis haften, während sie ihm half, alle auf ihren Plätzen unterzubringen. So wird es nicht kommen, dachte sie. Wir haben die Mittel, um ins Sonnensystem aufzubrechen, und was auch immer hier passiert, wir werden fliegen.
Wir werden fliegen.
Die Passagiere waren informiert worden, daß sie Atemgeräte tragen mußten, aber sie musterten sie trotzdem naserümpfend. Etliche wollten die Zusicherung hören, daß genug Sauerstofftanks für alle vorhanden waren. Rachel fand es seltsam, daß die Leute sich an Bord einer Stationsfähre oder eines Mondbusses nie um das Lebenserhaltungssystem Sorgen machten. Aber hier hielten sie das Lebenserhaltungssystem in der Hand, und das machte ihnen Sorgen. Weitere Fragen wurden aufgeworfen. Wie funktionierte das Essen? In Schichten. Was, wenn die Maske im Schlaf herunterrutschte? Machen Sie sich keine Sorgen, falls wir ein Problem bekommen, werden sie es nicht verschlafen. Und ohnehin sehen wir regelmäßig nach. Wenn ich den Tank wechseln muß, muß ich dann die Luft anhalten, bis der neue montiert ist? Der Wechsel dauert drei Sekunden. Kein Problem für Sie. Wieso erhalte ich keine Maske? Es braucht nicht jeder eine, weil die Kabine genug Luft für acht Personen enthält, mit Reserven. Wir wechseln uns ab, erklärte Rachel, so daß jeder mal Zeit ohne Maske verbringen kann.
Die Crew hatte die Passagierliste vorab erhalten, und sie brachten die älteren Reisenden in den Quartieren der Astronauten unter. Etliche Familien gehörten zu den Fluggästen, ebenso vier offizielle Vertreter diverser Regierungen, ein russischer Industrieller und zwei NASA-Schwergewichte. Rachel kannte natürlich beide, und einer, der Finanzchef, erklärte ihr ironisch seine Freude darüber, daß sie doch eine Verwendung für die Lowell gefunden hatten.
Lee agierte als Gastgeber. Er hatte auf L1 ein Dutzend Lesegeräte besorgt und überall auf dem Schiff Stecker installieren lassen, damit die Fluggäste sich in die bordeigene Bibliothek einschalten konnten. Er zeigte allen, wo sie die Kombüse und Waschräume fanden und welche Schalter sie drücken mußten, wenn sie Hilfe brauchten. Er demonstrierte die Gurtanlagen der verschiedenen Sitze und verteilte Gurtnetze an die, die keinen Sitz hatten. Er blieb bei den Leuten und half ihnen, sich anzuschnallen, bis er mit den Sicherheitsvorkehrungen zufrieden war.
Rachel zeigte ihr zuversichtlichstes Gesicht. Die Flugzeit bis Skyport betrug etwa neunzehn Stunden. Die Leute würden dort
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