Mondsplitter
zu, wie drei Männer Möbel von einem Mietlastwagen in das angrenzende Wohnhaus trugen.
San Francisco, 13 Uhr 20 Pazifische Sommerzeit (16 Uhr 20 Ostküsten-Sommerzeit)
Im Büro von Bennett & McGee im zweiten Obergeschoß starrte einfach jeder in den Fernseher. Der Bildschirm war in zwei Fenster unterteilt. Eine Karte der Bucht und ihrer Umgebung füllte eines davon aus, von Richmond im Norden bis nach Santa Clara und zu den Los Altos Hills im Süden, vom Pazifik bis zur I-680 – insgesamt mehr als elfhundert Quadratkilometer. Das andere Fenster zeigte den Kometenkopf, etwas länglich, unregelmäßig geformt, mit Kratern bedeckt und rissig. Ein riesiger Krater beanspruchte etwa ein Fünftel der sichtbaren Kometenoberfläche. Während Jerry hinsah, wurde der Umriß der Buchtregion in das Bild vom Kometenkern eingeblendet. Dann wurde der Bildausschnitt verkleinert, bis San Francisco und die Umgebung gerade in den großen Krater paßten. Ein Bildtext leuchtete am unteren Bildschirmrand auf: TATSÄCHLICHE GRÖSSE.
Außerhalb des Bildes unterhielt sich Senator Mark Caswell mit der Chefsprecherin von PugetWeb, Jane McMurtrie.
»… ein Impeachment«, sagte er gerade. »Absolut undenkbar, daß ein Präsident der Vereinigten Staaten eine Gefahr dieser Art einfach herunterspielt. Ich denke, Sie werden in naher Zukunft von einer angemessenen Reaktion im Kongreß hören.«
»Aber Senator«, sagte McMurtrie, »ist das nicht im Grunde eine leere Drohung? Ich meine, wenn etwas an der Behauptung dran ist, die Information wäre für das Überleben des Landes entscheidend, ist der Schaden bereits weitgehend angerichtet. Die Felsbrocken stürzen herunter, und es kommt einfach nicht mehr zur montäglichen Plenarsitzung. Falls der Präsident einfach nur die Unheilspropheten im Zaum halten möchte, wenn also nichts passiert, welchen Vorwurf sollte man ihm dann machen? Ich meine, dann wird sich herausstellen, daß er richtig gehandelt hat, oder?«
»Ganz und gar nicht, Jane. Wir werden nicht hinnehmen, daß Mr. Kolladner so unbekümmert mit der Sicherheit der Menschen unseres Landes herumspielt. Und ich kann Ihnen versichern, daß es nach diesem Vorfall weiterhin einen Kongreß und weiterhin die Vereinigten Staaten geben wird. Und es wird zu einer Abrechnung kommen.«
Das halbe Personal hatte sich krank gemeldet. Man hatte das Klagebüro mit Leuten aus der Stammaktienabteilung besetzen müssen. Mannys Kaffeehaus auf der anderen Straßenseite, wo Jerry normalerweise einkehrte, um Toast zu essen und die Chronicle zu lesen, hatte heute morgen geschlossen. Ein Schild im Fenster verkündete: AM MONTAG ZURÜCK.
Jerry und Marisa hatten den Abend zuvor mit Freunden verbracht und witzige Sprüche über Bekannte ausgetauscht, die die Stadt verließen. Man hatte viel gelacht und trotzdem ein allgemeines Unbehagen gespürt.
Jerrys Abteilungsleiter war Leo Gold, der schon zur Firma gehört hatte, als die Siedlertrecks in den Westen kamen. Leo hatte schneeweiße Haare, eine Stimme wie eine Elektrosäge und war Fan von Modelleisenbahnen. Er rief Jerry in sein Büro. »Kannst du morgen zur Arbeit kommen?« fragte er ohne Einleitung.
Morgen war Samstag. Es war der Samstag vor dem 15. April, eine anstrengende Zeit für Steuerberatungsunternehmen. Bennett & McGee war seit jeher stolz auf seine Fähigkeit, seine Arbeit zu schaffen, ohne in der Steuersaison in den Hektikmodus überzugehen. Niemand unterhalb des Hauptgeschäftsführers hatte jemals am Samstag vor dem Steuertermin gearbeitet. Das war eine Frage des Stolzes.
»Aber nicht in diesem Jahr«, erklärte Leo. »Diese ganzen Leute, die sich die letzten Tage freigenommen haben, Jerry. Damit stecken wir in der Klemme.«
Normalerweise hätte sich Jerry das nicht zweimal überlegt. Er wußte jedoch, daß Marisa wegen des Kometen nervös war. Durchaus möglich, daß sie verreisen, den Gefahren aus dem Weg gehen wollte, und das war nicht möglich, wenn er sich zur Arbeit verpflichtete. »Ich hatte geplant, das Wochenende nicht in der Stadt zu sein«, sagte er.
Leo preßte die Lippen zusammen. »Jerry.« Er legte den Kopf auf die Seite. »Jerry, das meinst du doch nicht ernst!«
Wie kannst du nur so naiv sein, Jerry? »Es liegt nicht am Kometen, Leo«, beeilte sich Jerry zu erklären. »Der Ausflug ist schon seit mehreren Wochen geplant. Wir möchten Helen, die Schwester meiner Frau, besuchen.«
»Jerry, wir alle sind auch am Montag noch da. San Francisco ist dann noch da. Bennett &
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