Mondsplitter
kampfbereiten Agenten fort, war begeistert und verängstigt und sehr mit sich zufrieden.
Er war überrascht, als die Tür aufging. Er hatte niemanden auf der anderen Seite gehört, aber Füße, die über den Boden tappten, waren in der Mondschwerkraft schwerer zu hören. Evelyn trug einen gelben Frotteebademantel, stand in einer Pfütze und betrachtete ihn neugierig. »Was ist los, Herr Vizepräsident?«
»Ich bin nicht sicher«, sagte Charlie. »Darf ich hereinkommen?«
Sie machte Platz. »Man hat mich informiert, daß Sie Ihren Flug versäumt haben.«
Er blickte zu Rick und Sam zurück und überquerte die Schwelle. Evelyn schloß die Tür hinter ihm.
»Ich bleibe«, sagte er.
»Sie bleiben?«
Sie musterten einander über einen Abgrund hinweg.
»Haben Sie Kaffee?«
»Sie und der Kaplan«, sagte sie fast verträumt. »Warum?«
»Ich mußte immer wieder an MacArthur denken«, sagte er.
»MacArthur?«
»Einen amerikanischen General aus dem zwanzigsten Jahrhundert.«
»Ich weiß, wer er war.« Sie runzelte die Stirn. »Was hat Douglas MacArthur denn um alles in der Welt damit zu tun?«
»Sind Sie wütend auf mich?«
»Warum sollte ich wütend sein?« Ihr Ton war eisig.
»Ich weiß es wirklich nicht. Sie klingen feindselig.«
»Erzählen Sie mir von MacArthur.«
»Als die Japaner 1942 kurz davor standen, die Philippinen zu überrennen, befahl Franklin Roosevelt MacArthur, dem kommandierenden General dort, zu verschwinden. Es war die richtige Maßnahme, denn die Alliierten würden ihn noch brauchen. Er war ein paar Divisionen wert. Sie schmuggelten ihn an der feindlichen Flotte vorbei, und er wurde danach eine Führungsfigur des Krieges. Man hatte ihm befohlen, seine Truppen im Stich zu lassen. Sich zu retten. Er tat es, und nichts von dem, was er später vollbrachte, machte es ihm möglich, darüber hinwegzukommen. Die Leute nannten ihn den ›Wegduck-Doug‹.«
Obwohl Charlie fast dreißig Zentimeter größer war als Evelyn, schien sie auf ihn herabzublicken. »Vergessen Sie die Politik«, sagte sie. »Sie haben hier keine Truppen.«
Sie nahm das Telefon zur Hand und tippte eine Nummer ein. »Wurden die Plätze schon bestätigt?« fragte sie.
»Tun Sie das nicht«, sagte Charlie.
»Gut«, sagte sie ins Telefon. »Er wird in der Maschine sein.« Und sie drehte sich zu ihm um: »Null Uhr fünfzehn morgen: Start vom Raumhafen. Ich habe sechs Plätze für Sie reserviert.«
Charlie spürte, wie Zorn in ihm hochschoß. »Ich brauche nur fünf.«
Sie musterte ihn ausgiebig, warf einen kurzen Blick aufs Telefon und sank in einen Sessel. »Sind Sie sicher?« fragte sie.
»Yeah. Ich bin sicher. Es ist härter, einfach abzuhauen, als zu bleiben.« Ihm kam der Gedanke, daß man sich an die sechs Menschen erinnern würde, die blieben. Wahrscheinlich deutlicher, als man sich an die meisten Vizepräsidenten erinnerte.
5.
Mondbasis, Verwaltungsbüro, 14 Uhr 08
Andrea Bellwether hatte ihren Boß noch nie in so grimmiger Laune erlebt.
Ihr Boß war Teresa Perella, normalerweise eine sympathische und lebhafte Person, die noch nie ein unlösbares oder unumgängliches Problem gekannt hatte, das man nicht lösen oder umgehen konnte. Heute wirkte sie geschlagen. Sie starrte über die Köpfe ihrer Kommunikationsspezialisten hinweg, als wäre sie in Gedanken weit entfernt von diesem Konferenzraum.
»Wir sind soweit, daß wir unsere Gruppe evakuieren können«, sagte sie. Sie war eine winzige Frau mit dunklen Augen und einer Persönlichkeit, die Präsenz ausstrahlte. Sie hatte zwei Ehemänner begraben. Sie ausgelaugt, wie gewitzelt wurde. »Wir halten die Kommzentrale bis zum mittleren Nachmittag morgen in Betrieb. Ich brauche drei Leute, die dabei helfen. Wer bleibt, nimmt den letzten Flug, der abgeht. Es heißt, es wäre ungefährlich, aber wer weiß?« Sie starrte die anderen an, den Mund geöffnet, als wollte sie noch etwas sagen, zögerte aber. Die ohne Familie.
Tommy Chan signalisierte, daß er bleiben wollte.
Die ohne Zukunft.
Eleanor Kile. Eleanor war eine spektakulär schöne Frau, die schönste auf der Mondbasis, wie Andrea fand, aber eine von denen, die Männer abzuschrecken schienen. Alle außer den falschen Typen.
Sonst noch jemand? Teresa richtete sich etwas stärker auf. »Wir brauchen noch jemanden.«
Andrea Bellwether blätterte imaginäre Akten durch, studierte die Beschaffenheit der Wand, dachte an all die Menschen, die sie gern wiedersehen würde. Die Eltern, Onkel, eine
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