Mondsplitter
hinaus auf eine Umlaufbahn um die Sonne geschleudert.«
»Aber der Mond oder zumindest der größte Teil davon bleibt hier? Möchten Sie das sagen? Denn wir haben etwas anderes gehört.«
Sie sah finster drein. »Es ist einfach sehr schwierig, den Vorgang vorherzusagen. Sehen Sie, der Komet wird den Mond zerbrechen. Das ist gar keine Frage. Er macht aus ihm einen Haufen loses Gestein. Alles, was zerbrechen kann, wird brechen. Die Erschütterung treibt das Gestein auch auseinander. Es verteilt sich auf der Umlaufbahn des Mondes, und ein Teil davon bildet wahrscheinlich eine Art Schale mit ungefähr dem Radius der Mondbahn um die Erde. Ich müßte es erst genauer nachrechnen, aber ich stelle mir vor, daß die Bruchstücke mit der Zeit einen neuen Mond bilden. Einen kleineren, könnte ich mir denken.« Sie holte tief Luft. »Es besteht noch eine andere interessante Möglichkeit.«
»Und die wäre?«
»Die Erde erwirbt ein System von Ringen. Langfristig.«
Saber wollte wissen, wie langfristig.
»Etliche Millionen Jahre. Sicherlich nichts, worüber wir uns Gedanken machen müßten.«
Tony beugte sich aufmerksam zu ihr hinüber. »Doc«, sagte er, »ich würde Ihnen gern eine hypothetische Frage stellen. Hatten Sie Gelegenheit, sich den Mikro anzusehen?«
»Verzeihung?«
»Unser Fahrzeug. Das, worin wir sitzen.«
»Na ja. Ich habe es gesehen, mehr oder weniger. Ich bin ja drin.«
»Falls der Bus sich zum Zeitpunkt der Kollision ein paar tausend Fuß über der Mondbasis aufhielte, wie würden Sie seine Überlebenschancen einschätzen?«
»Nicht gut.«
»Können Sie sich deutlicher ausdrücken?«
Sie zuckte die Achseln. »Nun, falls der Bus direkt über der Mondbasis schwebte, hätte er immerhin einen Vorteil: Der Aufprall erfolgt auf der Rückseite des Mondes. Aber es wird zu einem sehr großen Feuerball kommen. Ich vermute, er breitet sich direkt über den Pol aus und umschließt die ganze Nordhalbkugel.«
»Die Mondbasis steht im Alphonsus«, erinnerte Tony sie. »Dreizehn Grad Süd.«
»Vielleicht hätte ich sagen sollen, daß der Feuerball den ganzen Mond umschließt.«
»Wie hoch müßte ich sein, um nicht gefährdet zu werden?«
»Vorzugsweise auf halber Strecke bis zur Erde. Mindestens. Captain, nichts davon ist mein Fachgebiet. Ich weiß es wirklich nicht.« Sie betrachtete ihn, und das Lächeln, das fest zu ihrem Gesicht zu gehören schien, verblaßte. »Sie planen doch nicht, irgend etwas in dieser Art zu tun, oder?«
Mondbasis, Büro des Direktors, 23 Uhr 03
Kaplan Pinnacle war nicht der erste Freiwillige gewesen. Ein Mechaniker namens Tamayaka hatte angeboten zu bleiben, falls die künftigen Collegekosten für seine drei Kinder übernommen würden; auch eine junge Optikexpertin, die über die Tändeleien ihres neuen Ehemanns verzweifelt war, hatte darum gebeten, bleiben zu können. Chandler hatte beide Angebote nicht akzeptiert. Er war enttäuscht über die Reaktionen seiner Spitzenleute. Zwar hatte sich nur Jill Benning ihm offen widersetzt, aber die übrigen hatten nur danebengestanden und es ihm überlassen, die einzig vernünftige Position so gut zu verteidigen, wie er konnte. Eckerd benahm sich, als täte er Chandler einen Gefallen. Hawkworth spazierte in der Pose eines Märtyrers herum.
Eckerd, der der Abteilung für Gesundheit und Sicherheit vorstand, wußte von den Herzproblemen des Direktors. Chandler fragte sich, ob er aus dieser Kenntnis die logische Folgerung gezogen hatte: daß es Chandler viel weniger schwerfiel, den Helden zu spielen, als den anderen. Und angesichts dieser harten Realität wurde ihm kalt. Trotzdem milderte es seinen Zorn nicht. Mit oder ohne Herzproblem, er hätte ohnehin das Richtige getan. Das wußte er.
Nach dem Anruf des Kaplans gab Chandler einfach eine aktualisierte Liste heraus, die den Namen des Kaplans direkt vor seinem eigenen aufführte. Damit rückten alle anderen außer Evelyn einen Platz weit auf. Dann kam die Sensation: Der Vizepräsident blieb! Chandler hatte Zweifel, ob Haskell bei dieser Entscheidung bleiben würde. Trotzdem fügte er den Namen an der entsprechende Position ein, teilte Benning einen Flug zu und setzte die anderen eine weitere Position hoch. Benning erklärte ihm, daß er keine Minute lang glauben durfte, er und Hampton und das Unternehmen wären damit aus dem Schneider. Sie plante weiterhin, jeden in Sichtweite zu verklagen.
Er fragte sich, was zu tun war, falls Haskell es sich wirklich wieder anders überlegte.
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