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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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Unfall, kam mein Vater nach Hause und machte ein Gesicht, als wäre ihm aus heiterem Himmel ein Regenguss auf den Kopf geprasselt.
    »Alessa, Ralph Sandri meint, dass er die Figur wohl datieren könnte. Aber um ganz sicher zu sein, hat er Fra Beato zu Rate gezogen. Fra Beato fertigt Expertisen für die archäologische Abteilung im Vatikan an. Professor Sandri hat ihn wissen lassen, auf welchem Weg der Fund in seine Hände kam. Fra Beato wünscht, dass ihr ihn auf St. Angelo besucht. Er möchte einen genauen Bericht von euch hören.«
    Mutter, die gerade das Mittagessen auftrug, zuckte zusammen.
    »Um Gottes willen, warum denn das? Dr. Sandri wird doch wohl dabei sein und dafür sorgen, dass sich die Kinder benehmen?«
    Sie hatte wieder jenen kleinen fremden Akzent, der sich immer bei ihr einstellte, sobald sie aufgeregt war.
    Vater schüttelte den Kopf.
    »Nein. Fra Beato will nur die Kinder sehen.«
    Mutter trug eine Schüssel mit Bratkartoffeln herein, die sie behutsam auf den Tisch stellte, bevor sie meinen Vater perplex ansah. Dieser zog die Brauen hoch und spreizte leicht die Hände, als wollte er sagen: »Was soll ich machen?« Ich war sehr beunruhigt. Es lag an ihrer Stimme, an ihren Augen. Mussten wir, weil wir in den Grabkammern gespielt hatten, zu guter Letzt noch zu einem Verhör? Von Fra Beato wusste ich nur das, was ich aufschnappte, wenn bei uns zu Hause über ihn gesprochen wurde. Meine Eltern nahmen oft an Empfängen teil, wo sie alle trafen, die eine respektgebietende Stellung bekleideten: Professoren, Politiker, Direktoren, Doktoren, Militärs und eigentlich alle reichen Leute. Als Kind verstand ich natürlich nichts von den politischen Verknüpfungen. Auf Malta war man eher konservativ, obwohl sich –
wie Mutter längst gemerkt hatte und auch ich später begriff – die Trennungslinien zwischen links und rechts sehr willkürlich vermischten. Einen festen Eindruck von Respektspersonen bekam ich allerdings erst, als ich größer wurde und zu gelegentlichen Einladungen mitkommen durfte. Mir war beigebracht worden, Respektspersonen artig die Hand zu geben, sie mit einem Knicks zu begrüßen und in ihrer Gegenwart nur dann den Mund aufzumachen, wenn sie mich etwas fragten. Sie wollten meistens nur wissen, wie alt ich war und ob ich gerne zur Schule ging, worauf unweigerlich die Feststellung folgte, dass ich seit dem letzten Mal wieder ein Stück gewachsen und noch hübscher geworden sei. Einige hatten dabei die unangenehme Angewohnheit, mir lächelnd über den Kopf zu fahren. Kinder blicken ohne Wohlgefallen auf erwachsene Schmeichler. Indessen, das Ganze war einigermaßen abschreckend, bestens dazu geeignet, mir den Umgang mit solchen Leuten frühzeitig zu vermiesen. Nun gab es, neben diesen Respektspersonen, noch andere, bei denen die Dinge überaus komplizierter lagen. Es handelte sich dabei um hohe Offiziere – Armee oder Marine –, um Mitglieder des europäischen Adels und um kirchliche Würdenträger – Bischöfe, Kardinäle –, denen man mit ostentativem und übertriebenem Respekt zu begegnen hatte. So hatten meine Eltern dann und wann an Empfängen teilgenommen, an denen auch Fra Beato zugegen war. Und dieser schien meisterhaft die Kunst zu beherrschen, verbindlich der allgemeinen Unterhaltung beizuwohnen und dabei etwas ganz anderes im Kopf zu haben. Meine Mutter sah das jedenfalls so. Noch immer war sie mit dem Netzwerk des maltesischen Gesellschaftslebens nicht richtig vertraut, nicht aus Widerwillen, sondern weil sie entgegen allen Augenscheins nicht dazugehörte. Damit kam sie gut zurecht. Das Getue ging ihr auf die Nerven, diese Welt war nicht die ihre. Und aus alter Erfahrung hatte sie oft das absolut widersinnige Gefühl, dass Fra Beato – wenn auch aus völlig
anderen Gründen – ähnlich empfand. »Ich muss verrückt sein«, sagte sie sich dann. Aber das erzählte sie mir erst später. Und was sie über Fra Beato schon damals dachte, deckte sich genau mit dem, was auch wir empfinden würden. Aber ich greife vor.
    »Ihr müsst natürlich gehen«, sagte Vater in einem Ton, der keine Widerrede duldete. Eine der Respektspersonen der höheren Kategorie hatte uns einen Befehl erteilt. Darüber nachzudenken war erschreckend, aber auch erregend. Und kneifen kam nicht in Frage. Peter wird vor Aufregung Bauchweh haben, dachte ich. Das hat er ja immer. Nur Vivi wird es nichts ausmachen; die Queen könnte sie zum Nachmittagstee einladen, ohne dass es ihr den Schlaf raubte. Ich aber fühlte

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