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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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wohnen. Da hat er mehr Ruhe, und meine Haushälterin wird sich gut um ihn kümmern.«
    Ich erwiderte sein Lächeln.
    »Da wird er sicher froh sein.«

    »Er kommt gerne, hat er gesagt. Nun, ihr habt euch gewiss viel zu erzählen«, setzte er hinzu und trat ein wenig zur Seite, sodass ich durch die Tür konnte. »Gott segne dich, Alessa! Du bist ein tapferes Mädchen.«
    Mit diesen gutherzigen Worten ging er. Ich sah ihm nach, wie er mit schnellen, etwas unbeholfenen Schritten zum Aufzug ging. Vielleicht war es ja die linke Schulter, die leicht schief hing, vielleicht auch seine Bewegungen, aber wie konnte er gleichzeitig so jugendlich und so krank aussehen? Fra Beatos Namen hatte er mit keinem Wort erwähnt. Offenbar war die Nachricht noch nicht bis zu ihm gedrungen. Mir war das nur recht. Ich klopfte und trat ein. Das Zimmer war für drei Patienten gedacht. Das eine Bett war leer, im zweiten lag schläfrig ein kleiner Junge. An seinem Infusionsständer waren oben vier Arme, und die Stangen hingen voller Flaschen. Giovanni saß im Schlafanzug am offenen Fenster und hielt ein Buch in der Hand. Wie blass und mager er aussah! Sein linker Arm war eingegipst, und man hatte seine Brust fest verbunden, damit das Schlüsselbein heilte. Als ich in das Zimmer kam und ihm zulächelte, hob er den Kopf, und ich sah, dass seine Stirn noch violett und gelb verfärbt war. Das machte mir eine Angst, die ungerechtfertigt war bei der Freude, ihn wiederzusehen, bei dem Glücksgefühl in seiner Gegenwart. Doch er erwiderte mein Lächeln rückhaltlos, und ich atmete erleichtert auf. Es ging ihm wieder gut, das sah man.
    »Tag«, sagte er. »Setz dich!«
    Er deutete auf einen Stuhl. Behutsam, um den kleinen Jungen nicht zu wecken, zog ich ihn zurück und setzte mich zu Giovanni.
    »Hast du noch Schmerzen?«
    Er verzog das Gesicht.
    »Wenn ich auf dem Rücken liege, geht es. Aber immer nur auf dem Rücken zu liegen, ist öde. Manchmal versuche ich mich auf die Seite zu legen. Aber nach einer Minute liege
ich schon wieder auf dem Rücken. Ich habe noch zu starke Schmerzen in der Brust.«
    »Und der Kopf?«
    »Manchmal schwebe ich über meinem Bett, das ist ein komisches Gefühl. Hast du das nie gehabt? Und wenn ich zu schnell den Kopf drehe, sehe ich Blitze. Schwester Maria sagt, es wird noch eine Weile dauern. Schön, dass du gekommen bist. Es ist langweilig hier.«
    »Was liest du?«
    Er lächelte und zeigte mir den Einband.
    »Tom Sawyers Abenteuer, von Mark Twain. Onkel Antonino brachte mir das Buch.«
    »Spannend?«
    »Ja, sehr. Stell dir vor, auch Tom Sawyer verirrt sich in einer Höhle.«
    »Aber wir hatten uns doch nicht verirrt«, sagte ich.
    »Nein. Wir nicht.«
    Wir tauschten einen langen Blick. Unter seinen Augen lagen tiefe dunkle Schatten.
    »Onkel Antonino sagt, du hättest mir das Leben gerettet.«
    Das hatten auch meine Mutter und Dr. Micalef gesagt. Ich wurde ein wenig rot.
    »Ich … ich weiß nicht. Ich hatte so große Angst um dich! Da bin einfach ins Wasser gesprungen und habe dich gehalten.«
    Er antwortete mit großem Nachdruck, die Augen unverwandt auf mein Gesicht gerichtet.
    »Das werde ich niemals vergessen, Alessa, das verspreche ich dir. Niemals, auch wenn ich hundert Jahre alt werde!«
    »Aber Vivi und Peter haben die Leiter geholt«, setzte ich schnell hinzu. »Peter hat dich auf dem Rücken getragen.«
    »Auf dem Rücken?«
    »Ja, ja! Und Vivi hat dich aus dem Brunnen gezogen.«
    »Das werde ich niemals vergessen«, wiederholte Giovanni.
Er sprach mit leiser, matter Stimme. »Onkel Antonino sagte, dass ich deine Eltern besuchen soll, um mich bei ihnen zu bedanken.«
    Ich zog die Schultern hoch.
    »Ach, die haben doch nur geschimpft!«
    »Aber sie haben Dr. Micalef geholt, und der hat mich untersucht und verbunden.«
    »Ja, aber der will nicht mehr, dass Peter mit dir spielt.«
    Giovanni seufzte. In seiner ganzen Haltung lag viel Demut.
    »Wenn wir im Herbst in die gleiche Klasse gehen, sehen wir uns ja.«
    »Nur in der Pause, das wird nicht dasselbe sein.«
    »Nein.«
    Ich gab ihm die Vanillekringel, die ich für ihn gekauft hatte.
    »Die werde ich mit Steve teilen«, sagte Giovanni, »aber er muss erst fragen, ob er sie essen darf.« Der kleine Junge im Bett nebenan schien die Worte gehört zu haben, denn er wurde wach und versuchte sich aufzurichten. Giovanni lächelte ihn an.
    »Gut geschlafen?«
    Der kleine Junge nickte und lächelte zurück.
    »Steve ist schon einen ganzen Monat da und langweilt sich

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